Linz braucht Raum . Linz frißt sein Umland. Wo junge Stadt auf altes Land vorstößt, muß nicht unbedingt Neues entstehen. Bleibt alles beim Alten, kommen nicht nur Grasbüschel unter die Räder. Eugenie Kain hat die Ränder der Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erkundet. Hillinger bringt ihre Berichte von der Peripherie in gekürzter Fassung.

Linz - Rand, Teil III von Eugénie Kain , April 95. Fotos: Udo Danielczyk


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Urfahr am Rand

Streng genommen ist ganz Urfahr nur mehr am Rand von Linz. Sein ursprüngliches Zentrum wurde nachhaltig zerstört. Gasthaus zur Stadt Budweis?Hotel Achleitner? Cafe Landgraf, vormals Münchnerhof? Alles weg, alles hin. An der Randlage ändert auch das Neue Rathaus nichts. Es steht halt da, will nicht mit dem alten Stadteil zusammenwachsen , wird dank Begrünung aber früher oder später zuwachsen.

In Urfahr hätte man aus der Stadt was machen können. Wenn man zum Beispiel die gewachsenen, lebendigen Strukturen Alt Urfahrs akzeptiert hätte. Aber nein. Alt Urfahr Ost wurde zum Baukasten für Suter & Suter und die Schweizer Planer fügten neue Bausubstanz so dynamisch an gewachsene, daß auch noch die Friedhofstraße in Friedrichstraße umbenannt wurde, damit die auf dem Gelände der ehemaligen Stadtwerkstatt residierenden Senioren nur ja keine Beziehungen mehr zu dem verstümmelten Grätzel herstellen brauchen.

In Alt Urfahr West ging man den Weg der sogenannten sanften Stadtsanierung. Der oft beschworene und in Studien nachgewiesene einzigartige dörfliche Charakter dieses Stadteils sollte erhalten bleiben. Die Planierraupen walzten nicht das ganze Viertel auf einmal nieder, die Spitzhacke nahm sich die Häuser der Reihe nach vor. Die "Rattenburgen" an der Donau sind verschwunden. Geblieben sind schmucke Fassaden mit einer sehr hohen Dichte an dreieckigen Glaselementen und dazupassenden betuchteren BewohnerInnen. Die Wanderradler sind entzückt, bekommen im Sommer ihr Bier in den noch immer schattigen Gastgärten und bleiben nicht so lange um mitzubekommen, daß sie sich in einem potemkinschen Dorf aufhalten. BefürworterInnen des Einerseits /Andererseits mögen dafürhalten, daß diese Art der Sanierung besser gewesen sei als eine mehrspurige Autoschneise längs der Donau oder der Bau eines völlig neuen Stadtviertels mit vielen Lentia 2000s. Es bleibt ein fauler Kompromiß. Eine schicke FUZO noch mit ein paar Kunsthandwerksläden, etwas gehobenerer Gastronomie, einem singenden Fährmann und einer zitherspielenden Wirtin und Linz hätte sein Fischerdörfl- Disney-Land ;und könnte sich mit Verweis auf das in Alt Urfahr Ost liegende Ars Electronica Center in Tourismusprospekten seiner multicoloren Kulturszene an der Donau rühmen.

Aber Linz liegt nur ein bißchen an der Donau und sehr viel an der Autobahn. Und wo noch keine Autobahn ist, quält sich der Verkehr durch Straßenzüge wie die Rudolfstraße. Deshalb zieht es die auf gehobenere Lebensqualität Achtenden höher hinauf, weg von der Radler - und Autoplage. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind die nobleren Linz - Ränder schwer zu erreichen. Das Riesenederfeld zum Beispiel erreicht man entweder mit der Pöstlingbergbahn, wenn man sich bei der Haltestelle Tiergarten an den oberen Häusern der Merkur - Siedlung vorbeischleicht und dann durch ein Gatter zwängt. Oder mit der Linie 33. Ab der Endstation Riesenhof geht es dann das letzte Stück Weg den Abschneider über ein Feld steil bergauf.

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Wer am Riesenederfeld ein Reihenhaus erwerben will, sollte motorisiert sein. Der Baukran steht auf der grünen Wiese, aber ein Teil der Anlage ist bereits fertig und bewohnt. Es gibt ein Biotop und sorgfältig integrierte Garagen, eine Architektur übrigens, die schwungvoll die maximilianschen Befestigungstürme zitiert. Die Siedlung fügt sich in die Landschaft und gibt Ausblick auf Linz und Land. Zwei Eckreihenhäuser sind noch zu haben . Bau und Boden - Immobilien bietet an: Ein Eckreihenhaus mit 660 qum. Grundfläche und 131 qum. Wohnfläche um 5,5 Millionen Schilling und ein Eckreihenhaus mit 430 qum. Grundfläche und 104 qum Wohnfläche um 4,3 Millionen Schilling. Schlüsselfertig zu beziehen im Juni .Aber wer seine Freizeit nicht in Nachbarschaft von Zahnärzten und Geldanlegern verbringen will, der sucht sich ohnehin eine andere Wohngegend.

Das Auhoffeld ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln einfacher zu erreichen. Mit der Linie 1 bis zur Schumpeterstraße oder mit dem 33er bis zur Autobahn . Wo jetzt noch Kräne und Bagger fuhrwerken, sollen bald Menschen wohnen. Mit Blick auf die Autobahn. Billige Wohnungen werden hier gebaut, betont das Rathaus - verhältnismäßig billig muß es heißen, denn Linz hat sich vom sozialen Wohnbau längst verabschiedet und überläßt das Bauen den Genossenschaften. Immerhin, einige von den 19.000 vorgemerkten Wohnungssuchenden werden neben der Autobahn einziehen und die Lärmschutzfenster kaum mehr öffnen. Vielleicht finden auch einige von den hohen Wohnungskosten aus Alt -Urfahr West Vetriebene eine neue Bleibe. Auch hier halten sich die Architekten an die Reihenhausbauweise, nur daß alles sehr eng beieinander steht und die Häuser höher sind. Die "soziale Durchmischung" soll durch ein Nebeneinander von Miet- und Eigentumswohnungen der Wohn - und Siedlergemeinschaft erreicht werden, die LAWOG baut ein evangelisches Studentenheim und die CASA Bauträger Ges.m.b.H bietet über die GMK Immobilien Wohnungen, Büros und Geschäftsräume an. Eine typische Linz - Randsiedlung wird entstehen, ein paar Bau - und andere Märkte sind auch schon da und ein ganzes Nest von Autohändlern. Die BewohnerInnen werden zu tun haben, sich ihr eigenes Quartier , wie der Franzose sagt, zu schaffen. Ein Viertel halt, eine Wohnumgebung, in der sie sich finden und erkennen können, mit der sie sich identifizieren können und in der sie was anfangen können- nicht nur Geld ausgeben, aber das ist nicht so leicht, so viele Autos braucht man nicht.

Zwischen Universität, Freistädterstraße und Autobahn hätte man aus der Stadt etwas machen können. Eine Universität am Stadtrand hätte spannende und logische planerische Möglichkeiten geboten. Aber nein. Die Chancen wurden in den 70er Jahren vertan. Aus dem Universitätsviertel wurde eine Schlafstadt, BewohnerInnen, SeniorInnen und StudentInnen hocken in ihren genormten Türmen und lassen nur wegen Durchzugsverkehr, Tempo 30 oder illegal parkenden Pendlern von sich hören. Wer Kultur will, muß sich in die Straßenbahn setzen und lange fahren. Das Volkshaus hat nur eine scheußliche Akustik. Wäre es anders mit einer geisteswissenschaftlichen Fakultät?

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An die Erfahrungen mit der Wohnungsanlage Biesenfeldweg,an deren Planung die BewohnerInnen von Anfang an beteiligt waren, wurde nicht mehr angeknüpft. Nur wenige Fehler lassen sich ausbessern. Der Universitätsteich wurde "zurückgebaut", bekam wieder "natürliche" Ufer für die Enten. Ein Stadteil läßt sich nicht zurückbauen.

Die StudentInnen, zumindest die des Julius Raab Heimes haben andere Sorgen. Das Studentenforum warnt: "Seit Installierung des neuen Schlüsselsystems können Türen geöffnet werden, auch wenn von innen zugesperrt ist und der Schlüssel steckt." Wegen geltender Brandschutzbestimmungen und wegen dringender Krankheitsfälle müsse das so sein, sagt die Heimleitung. Das Studentenforum besorgte "Türhängeschilder". "Die Schilder werden durch den Erlös der Raab-Heim Feste finanziert".

Auch das Rathaus hat andere Sorgen. Man muß sich zum Beispiel überlegen, wie die vielen neuen Straßen heißen sollen. Rund um das Auhoffeld, machen sich Politker der zweiten Republik breit: Julius Raab, Adolf Schärf, Karl Renner, Leopold Figl...Einige Schritte entfernt, auf der anderen Seite der Freistädterstraße gibt es die Mostnystraße. Leopold Mostny , Kaiserlicher Rat wurde Ehrenbürger der Stadt Linz, weil er der Stadt das Gelände des heutigen Urfahrermarktes überlassen hatte und als Aktionär maßgeblich an der Errichtung des Mühlkreisbahnhofes beteiligt war. 1942 wurde er 100jährig (!) ins KZ Theresienstadt verschleppt und ermordet. Jetzt ist eine Straße nach ihm benannt.. Nicht etwa im Zentrum, sondern am Linz -Rand. Es ist keine Straße in einem Wohnviertel. Es ist die Straße, die zur Altstoffsammelstelle und zum Tierheim führt. Der Bürgermeister findet das in Ordnung so. Mostnystraße. Linz hat häßliche Ränder.