WERKSSPORT
IN
DER
VÖEST


Sport in Betrieben gibt es, seit die Arbeiter ihre Freizeit nutzen "durften" und sich ausgehend von England, wo Fußball-Werksmannschaften Meisterschaft spielten, verbreitete. Fußball ist durch die Akteure (auch hier gab es bereits Profimannschaften), Zusehende und vielfache Bindung an ein Werk/Fabrik als proletarischer Sport gekennzeichnet. Werkssport als kollektive Kraft und zusätzliche Motivation sein Arbeitsleben durchzustehen bzw. den Stolz zum Werk zu heben. Das Werk als soziale Familie. Heutzutage ist Sport in (österreichischen) Betrieben eine ziemliche Seltenheit, sieht man von manchen Hobby-Mannschaften ab, und so verfällt ein (weiteres) Stück des Sozialismus in der Marktwirtschaft. Den meisten bleibt, sofern man im Fernsehsessel-Zeitalter überhaupt sportliche Aktivitäten in Kauf nimmt, der Weg zu Askö (Spö-nahe), Union (Övp-nahe), einigen unabhängigen Vereinen oder gar Turnerbund. Österreich. Doch die Vöest bietet dazu Alternativen.

Gegründet wurde der SportKlub VÖEST 1946 als SK Eisen und Stahl, 1948 als ASK (Arbeitersportklub) Eisen und Stahl weitergeführt, der schließlich im Jahre 1949 seinen heutigen Namen bekam. Arbeiter der Vöest sollten die Möglichkeit haben, in der Freizeit Sport zu treiben. Der SK Vöest ist eigentlich der größte Sportverein Österreichs (Anfang der 70er Jahre wurde der Höchststand von 13.000 Mitglieder erreicht, zur Zeit gibt es 1.200 (aktive) Mitglieder und ca. 6.000 unterstützende) - abgesehen von Polizei-Sportverein und dem Magistrats-Sport.
Rechtlich ist der SK VÖEST vom Werk unabhängig, jedoch sind die Unterstützungsformen vielfältig. Ein vom Betrieb eingestellter "Sportbeauftragter" betreut die Belangen des Vereins, der sogenannte "Sportschilling" (seit der Gründung beträgt der Beitrag, den Werksangehörige zu bezahlen haben - unverändert! - 2 Schilling monatlich), natürlich gibt es diverse Sponsoren (Hauptsponsor ist im Prinzip das Werk, das u.a. die Betriebskosten trägt), die Sportler leisten einen Obolus und Vöest-Bedienste haben die Möglichkeit, unterstützende Mitglieder zu werden und Veranstaltungen kostenlos besuchen zu dürfen. Intern ist man in verschiedene, autonome Sektionen unterteilt, wobei auf Funktionärsebene ehrenamtlich gearbeitet wird. Momentan existieren 17 Sektionen,die ein breitgefächertes Spektrum von Sportarten umfassen. Neben traditionellen Arten körperlicher Betätigung, wie Leichtathletik, Boxen (inzwischen wegen Differenzen mit dem Boxverband aufgelöst), Judo (mit Peter "Peppi" Reiter, einem Spitzensportler, der `87 und `88 bei den Europa-Meisterschaften Bronze errang), Gewichtheben, Tischtennis oder Radsport (erst 1991 gegründet) finden sich im Sektionsverzeichnis des SK VÖEST auch exotische Formen, wie Amateurfunk oder Photographie (wo man international sehr erfolgreich tätig ist) und dem äußerst erfolgreichen Schach-Team.
Seit 1985 ist der Verein Mitglied des ASKÖ-Dachverbandes, der die Vertretung seiner Vereine übernimmt (z.B. in Subventionsfragen) und Trainingsplätze bzw. eine Halle in Auwiesen (man wechselte vom geschichtsträchtigen Hüttenwerkersaal des Bindermichl) zur Verfügung stellte.
Interessant wird die Geschichte solch einer Organisation, wenn man den historischen Kontext bedenkt. So spiegelt sich in der Geschichte und im Geschichtsverständnis des SK VÖEST ein gar nicht so kleiner Teil dieser Republik wider.
Organisierte sportliche Betätigung von Arbeitern in der Vöest gab es bereits, als dieser Industriekomplex noch "Hermann-Göring-Werke" hieß. Typisch österreichisch wird diese Tatsache heute allerdings entweder verdrängt oder wahrscheinlich sogar noch problematischer, vollkommen unkommentiert dokumentiert: "Die Mannschaft ´Verkehrswesen´ (Fußballmannschaft, Anm.) bestand fast ausschließlich aus Tschechen und wurde von Franz Renger betreut. In den Jahren 1943 und 1944 hat diese Mannschaft unter dem Namen `HGW` viele Freundschaftsspiele ausgetragen. Tschechische Zeitzeugen erinnern sich noch voller Begeisterung an einige Spielergebnisse:
SKV-LOGO HGW - SS Mauthausen 0:11 (in Mauthausen)
HGW - SS Mauthausen 6:6 (in Linz)"
(Geschichteklub d. VÖEST (Hrsg.), Die Geschichte der VÖEST, Bd. 3, S.2; Hervorhebungen hillinger)

In üblicher Manier wurden fast alle Unterlagen der Zeit `38 - `45 vernichtet. Der Lehrlingssport (1940) wurde, im Sinne der Nazi-Politik, immer beschäftigt (und unter Beaufsichtigung) zu sein, gegründet. Lehrlinge bekamen auch die Möglichkeit im Winter an einem einwöchigen (kostenlosen) Schikurs teilzunehmen. Hier wurden also unsere heute bekannten Schikurse "erfunden" - Geselligkeit und herrschende Meinungen kennenlernen ...

Der Werkssportverein wurde erst nach Kriegsende gegründet. 1946 wurde die erste Sektion von fußballbegeisterten Mitarbeitern ins Leben gerufen, die sich anfangs intern und mit anderen Betrieben maß. Der SK VÖEST LINZ arbeitete sich kontinuierlich durch die Ligen in die höchste Spielklasse (1969 - damals Nationalliga). 1974 wurde der bisher einzige Meistertitel erreicht. Seit Beginn wurde großer Wert auf die Nachwuchsmannschaften gelegt, die zahlreiche Titel einstreiften (u.a. letztes Jahr U-18 Meistertitel). In den 80iger Jahren wurde ein Leistungszentrum (neben der Südstadt die erfolgreichste Nachwuchsarbeit; mit A-Lizenz Trainern, die vom ÖFB bezahlt werden) gegründet, um talentierte Nachwuchsfußballer zu fördern. 1990 wurde der Verein von der Vöest ausgeliedert (um den anderen Sektionen mehr Geld zufließen zu lassen), und in FC STAHL LINZ umbenannt. Seit 1994 besteht der Verein als FC Keli Linz, zog ins Linzer Stadion und hat lediglich 2 Aufsichtsratmitglieder der Vöest (die die Mannschaft nur geringfügig unterstützt und eigentlich nurmehr dem Nachwuchs Trainingsplätze zur Verfügung stellt). Neben der ausgegliederten Sektion Fußball (da, internationalen Trends folgend (z.B. Bayer 04 Leverkusen), Spitzensport für große Werke nicht mehr leistbar ist - in Österreich natürlich durch die Krise der Verstaatlichten), gibt es den Betriebsfußball für Werksangehörige. In den 70ern wurden die internen Betriebsfußballmeisterschaften noch mit kompletten Teams durchgeführt (Arbeiter aus den verschiedenenen Teilen der VÖEST, wie etwa Kokerei etc.),doch heute spielen nur noch sechs Mann über das halbe Feld. Ein Zeichen des wachsenden Desinteresses der Arbeiter, Sport in ihrer Freizeit zu treiben.
Das Gewichtheben ist seit Beginn eine der erfolgversprechendsten Sparten des Werkes. Das "eiserne Spiel der Vöest-Kräne", wie es in schönstem Funktionärs-Deutsch heißt, mauserte sich seit Mitte der 80er Jahre zu einem der stärksten Vereine innerhalb des Askö und sie gelten als zuverlässigste Pokaleinheimser für die Vereinsvitrine. Eine starke Seniorengewichtheberriege, rund um Adolf Pögl (Welt- und Europameister), bietet für ehemalige Arbeiter aktive Betätigung.
Der Jugendarbeit kommt in allen Sektionen große Bedeutung zu - in vielen Sparten, z.B. Faustball, ist reger Zulauf zu bemerken. Dem wachsenden Interesse der Mitarbeiter, im Motorsport tätig zu sein, trug man mit der Gründung ebendieser Sektion Rechnung. Vorallem hier steigt die Mitgliederzahl stetig (zur Zeit mitgliedersträrkste Sektion) und Go-Cart-Rennen finden seit neuestem reges Interesse. Neben den leistungsorientierten Sportarten, die für jedermann/-frau zugänglich sind (wie bei den meisten Sportvereinen), gibt es auch den Breitensport, der im ursprünglichen Sinne des Vereins, Sport für die Arbeiter des Betriebs bietet. Hier wäre eben der Betriebsfußball (seit 1956), Fischen und Stockschießen zu nennen. Die Vöest bietet (nicht durch den Sportverein) auch Wirbelsäulen-Gymnastik und einen kostenlosen Fit-Check für die Mitarbeiter an. Die in den 80iger Jahren gängige Praxis,den Personalstand der VÖEST durch Massenentlassungen älterer, kurz vor der Pensionierung stehende Arbeitnehmer zu verringern, brachte nicht nur den lokalen Wirten, sondern auch den Sektionen Stocksport sowie Fischen regen Zulauf. Langzeitarbeitlose finden hier ebenfalls Zeitvertreib, was dem Betriebssport eine neue (zeitgemäße ...) Dimension gibt. Heutzutage wollen wenige in ihrer "Frei"zeit sporteln, die meisten zudem noch so schnell wie möglich vom Betrieb fort (und die Kameradschaft unter Kollegen lieber am Stammtisch festigen) und in ihrem Mittelstandsleben untertauchen. So gesehen ist das Ende des Betriebssports vielerorts Realität, doch in der (großen) Vöest nimmt man auch Wünsche der Mitarbeiter entgegen und bietet durch das breitgefächerte Programm für viele etwas Ansprechendes und erhöht dadurch auch die Bindung zum Werk.

Christian Wellmann & Daniel Steiner