Das schwere Leben mit einem Geburtsfehler
Der KV KANAL ist an seinen Widersprüchen und Konflikten zerbrochen - eine Analyse

Eine Analyse, die für sich einen bestimmten Erklärungswert beansprucht, muß die Komplexität der Phänomene so weit bändigen können, daß in ihr die Hauptkräfte sichtbar werden, die den Gegenstand in ihrem Wesen bestimmen. Im Fall des KV KANAL ist der Gegenstand ein sozialer Prozess mit vielseitigen Widersprüchen. Dabei wird kein Anspruch auf Wahrheit erhoben, sondern versucht, ein gedankliches Konstrukt zu liefern, das der Realität nahekommt, - nicht nur an der Oberfläche oder stimmungsbezogen, sondern auch die tieferliegenden Triebkräfte aufspürt. Es sei allen Beteiligten, wie im Fall des KV KANAL, unbenommen, zu analysieren, Stellung zu beziehen, Stimmungsbilder zu liefern; - ob sie für ein Verständnis was hergeben, muß ohnehin der bzw. die LeserIn selbst entscheiden.
Mit diesem kurzen methodischen Vorspann soll eine Abgrenzung gezogen werden gegenüber den in den letzten Monaten lancierten unqualifizierten Stellungnahmen in Sachen KANAL, deren Niveau über persönliche Schuldzuweisungen, Beleidigungen, pseudopsychologisierenden Auswürfen nicht hinauskam. Manche glauben halt, den Mangel an Erkenntnis mit lautem Getöse, Kraftmeierei und Phrasen kompensieren zu können.

Wenn man die Entwicklung des KV KANAL nur einigermaßen verstehen will, und es nicht bei oberflächlichen Emotionsaufwallungen belassen will, muß man analytisch zuerst einmal zwischen den äußeren und inneren Konfliktkräften und -zonen unterscheiden; daß diese sich gegenseitig bedingten und miteinander korrespondierten macht die Einsicht umso schwieriger.

Die schwache rechtliche Grundlage

Ein Grundproblem, das den KANAL seit der Geburt bestimmte, über die Jahre hinweg einmal untergründiger und dann wieder offener beschäftigte und letztendlich zum Zusammenbruch führte, war die schwache rechtliche Grundlage, auf dem der ganze Prozess aufgebaut war. Da es von Anfang an nicht möglich war, daß der Mieter des Objekts im Josefstal 21 und der Betreiber des Kulturhauses, also der KANAL, ein und dieselbe juristische Person sind, mußte auf eine fragwürdige rechtliche Hilfskonstruktion zurückgegriffen werden, die dem KANAL letztendlich auch auf den Kopf fiel. Bekanntlich mußte ein Zwischenmieter, der aber zugleich rechtlich die Hauptmiete hatte, dazwischen geschoben werden, um das Objekt zu bekommen. Obwohl mit dem für den KANAL stellvertretenden Zwischenmieter vereinbart war, daß es keine Sonderechte außer ein Wohnrecht im 1. Stock für ihn gibt, wurde diese rechtliche Position über die Jahre hinweg immer wieder für persönliche Zwecke mißbraucht und außerhalb des kollektiven Entscheidungsprozesses gestellt. Dadurch konnte sich sowas wie ein informelles paralleles Machtzentrum etablieren, das je nach Interessenslage gegen den Verein gespielt werden konnte. Zugleich war es für diejenigen, die sich nicht den kollektiven Entscheidungsprozess des KANAL einbringen konnten oder wollten eine Ausweichmöglichkeit und Projektionsfläche, Sonderinteressen über diesen Weg gegen den Verein zu spielen; meist verbunden mit einer ungustiösen Opferhaltung. Der KANAL Vorstand bzw. die Verantwortlichen konnten damit in die Rolle des autoritär Uneinsichtigen gedrängt werden, der über die guten Basisleute drüberfährt. Mit diesem einmal angelegten zerstörerischen Machtmechanismuskonnte dann je nach Entwicklungsstand, Interessen und Zeitgeist ausgespielt werden: einmal die "Politischen" gegen die guten "Unpolitischen", anfangs sogar so primitiv wie die "PergerInnen" gegen die "SchwertbergerInnen", die "KommunistInnen" gegen die "NichtkommunistInnen", die "BürokratInnen" gegen die schöpferische "Basis", die "Subventionshaie" gegen die "freiwilligen ÄrmelaufkrämplerInnen", usw. Tatsache war, daß über den Verein KANAL die Ressourcen aufgebaut wurden, die Miete und Infrastruktur bezahlt wurde und der Großteils des Porgramms gestaltet wurde. Die objektiv schwache (miet)rechtliche Stellung des KANAL konnte aber damit letztendlich nicht kompernsiert werden; vielmehr war sie gerade bei Konfliktsituationen immer wieder ein Einfallstor für Partizipationsunfähige und Sonderinteressenslagen.

Parallele Machtkonstellation

Für Publikum und nicht direkt in den Betrieb Einbezogenen mag das nicht durchschaubar gewesen sein; oberflächlich wurde diese parellele Machtkonstellation als "Streiterei" zwischen Personen wahrgenommen, was ja für die Objektivierung der Verhältnisse nicht unbedingt förderlich ist; gerade Neueinsteigende hatten oft das mulmige Gefühl, "sie müßten sich auf irgendeine Seite schlagen". Daß dadurch der Gegenstand bzw. die Ziele, um die es ging, nämlich Kulturarbeit, darunter leiden mußte, muß leider eingestanden werden. Daß im KANAL trotz dieser Umstände auch hervorragende Kulturarbeit geleistet wurde und der KANAL als "kultureller Durchlauferhitzer" funktionierte, kann ohne falschen Stolz behauptet werden.

Das endgültige Aus

Wenn auch der interne Zersetzungsprozess schon weit fortgeschritten war, der in der Zerstörung des KANAL - Büros anfang 1998 praktisch und symbolisch seinen Höhepukt erreichte, war noch nicht beschlossene Sache, das Haus im Josefstal kampflos aufzugeben. Denn parallel zu den Schwierigkeiten, wäre es dem KANAL gelungen, die Veranstaltungsbewilligung zu bekommen. Das entgültige Aus bescherte dem KANAL der OGH (oberste Gerichtshof), indem er der Kündigungsklage des Eigentümers recht gab. Rechtlich wurde vom OGH sogar die teilweise Weitergabe des Hauses an den KANAL durch den Hauptmieter als Kündigungsgrund angesehen und somit das erstinstanzliche Gerichtsurteil durch das Bezirksgericht Mauthausen, das dem KANAL rechtgegeben hätte, aufgehoben. Kurz gesagt, es wurde das "heilige Eigentum" gegenüber den subalternen Mietrechten geschützt. Ein zweiter Kündigungsgrund war die Abwesenheit des Hauptmieters und die auch dem Eigentümer zu Ohren gekommene wohnliche und sonstige Nichtnutzung des Objekts durch diesen.

Verbunden mit der mißlichen innerorganisationspsychologischen Lage war das OGH Urteil für den KANAL das Signal das Feld im Schwertberger Josefstal zu räumen und den eventuell zu führenden politischen Kampf um das Haus aufzugeben.

Der Eigentümer wurde gedrängt, die Klage bis zum bitteren Ende zu führen; in einer schwachen Stunde gab er selbst zu, von den regionalen politischen und moralischen MachthaberInnen unter Druck gesetzt worden zu sein, daß der KANAL aus dieser Gegend verschwinden muß; ihm selbst sei es ja egal. Der Eigentümer als armes Opfer. Daß er sich von seinen EigentümerInnenpflichten, wenn er schon Miete kassiert für ein Objekt, keinen Gebrauch machte, wie z.B. das Dach zu reparieren, oder einen Wasseranschluß und Abfluß zu machen, oder notwendige feuerschutztechnische Installationen usw. verschweigt er so nebenbei.

Andere Konfliktlinien

Ohne der schwachen rechtlichen Stellung des KANAL und den damit verbundenen Konsequenzen gegenüber Eigentümer und formalen Zwischenmieter, wäre der KANAL ein schönes Kulturhaus im Unteren Mühlviertel geworden. Diese These kann ohneweiteres gewagt werden, denn das Engagement und Interesse war vorhanden und mit den anderen Schwierigkeiten, die uns die Gemeinde, Behörden, usw, machten, sind wir und wären wir fertig geworden. Auch die innerorganisatorischen Probleme wären bei einem guten Mietvertrag weit besser bewältigbar gewesen.

Ohne überzogene Bedrohungsbilder zu strapazieren, soll auf das mutwillige Versagen der Gemeindeverantwortlichen, voran des Bürgermeisters nicht vergessen werden. Ganz abgesehen davon, daß die Gemeinde den KANAL mit lächerlichen Beträgen unterstützten, einmal 20 000.- und dann ein paar mal mit 4 bis 6 000.- Schilling über die Jahre hinweg, hat sie aktiv gegen den KANAL gearbeitet und im Falle eines Bauverfahrens sogar Rechtsbeugung betrieben. Wasser- und Kanalanschluß hätte sie dem Eigentümer vorschreiben müssen; mit Vorwänden stahl sie sich aus der Pflicht. Mit einem Großkonzert mit Joe Cocker verfielen einige Gemeindeverantwortliche in kollektiven Größenwahn und Realitätsverlust; mit einem Schlag wurde ein Verlust von 1, 8 Millionen Schilling gemacht; dann wurde ein Kulturhaus, das Lichtenwagnerhaus adaptiert; mit Kosten von 8 Millionen Schilling; ein vernünftiges Nutzungskonzept gibt es bis heute nicht. Aber einem Projekt wie dem KANAL, das von unten aufgebaut wurde, versagte man die Unterstützung bzw. hintertrieb es, wo es ging. Der Hauptgrund war, weil man keine Kontrolle über deren BetreiberInnen hatte, weil sie politisch und gesellschaftlich nicht ins Konzept paßten oder gar, weil ein paar keine richtigen SchwertbergerInnen waren.

Ordnungspolitisch hielten sich die Fleißaufgaben in Grenzen; nur manchmal meinten einige Ordnungshüter sich extra in Szene setzen zu müssen; den Vogel schoß aber der oberste regionale Ordnungshüter, der Bezirkshauptmann, ab, indem er vorgab, endlich bei einem Gipfel alle Probleme um den KANAL lösen zu wollen, am selben Tag aber über die Medien bekanntgeben ließ, daß es mit dem KANAL vorbei sei. - Rechtlich und politisch ziemlich unseriös.

Es gäbe noch eine ganze Reihe von Entwicklungsproblemen anzuführen, was aber vorerst zu weit gehen würde. Vielleicht noch ein philosophischer Aspekt, der generell auch in der KANAL Entwicklung eine Rolle gespielt haben mag:

Die Postmoderne ist für viele deswegen so attraktiv, weil in ihr vormoderne Ansichten fröhliche Urständ? feiern und sich dabei auch noch ein progressives Mäntelchen umhängen können. Gleichwohl liefert sie einen schönen Vorwand sich mit den Mühen der Moderne nicht auseinandersetzen zu müssen. Vernunft, Gleichheit, Freiheit, Ausdifferenzierung, - Werte, was die progressiven Seiten der Moderne ausmachen, können damit gleich auf dem Müllhaufen der Postmoderne deponiert werden.

Was bleibt

Ist ein laufender kultureller Schaden für die Region. Eine kulturell und künstlerische Entwicklungschance wurde vertan und sich wahrscheinlich nicht mehr so schnell ergeben. Der Ausbreitung der "Idiotie des Landlebens" (K. Marx) und des Konsums, die man heute dazufügen müßte ist damit eine Schranke weniger gesetzt.

Mit dem KANAL geht auch eine kritisch oppositionelle Stimme in der freien Kulturszene, in der Kulturpolitik verloren, wenn auch die Protagonisten sich weiterhin darin bewegen werden, ist doch ihre kulturpolitische Legitimationskraft materiell und symbolisch geschrumpft.

Der KANAL ist zwar aus dem Josefstal in Schwertberg vertrieben worden, bis auf weiteres bleibt er aber als kulturelle Aktivitätsplattform bestehen und wird sein (Un) Wesen weitertreiben.

von Franz Primetzhofer