KONZEPT für die Vorlesungsreihe "Gender Technologien" (10.9.1999)
Gender/Technologien
Gerade weil "weiblich" nicht länger als ein feststehender
Begriff erscheint, ist seine Bedeutung ebenso verworren und unfixiert
wie die von "Frau"/"Mann". Ihre Bedeutung erhalten diese Begriffe nicht
aus sich heraus, sondern immer in Relation zu etwas anderem.
Der gängige Diskurs über Technologien hat auch die
Funktion diese Relation mitzudefinieren bzw. herzustellen.
Vor diesem Hintergrund wird es sinnvoll landläufige
Bedeutungen von Technologien zu hinterfragen und eine mögliche
Neudeutung für eine Redefinition der Gender-Kategorien zu nutzen.
Ausgehend von einigen grundlegenden Fragestellungen der aktuellen
Gender- bzw. Frauenforschung sowie ausgewählter Theorien
zum Thema *neue Technologien* werden Reflexionsfelder eröffnet.
Auf dieser Basis kann dann mit vorhandenen Strukturen experimentiert werden,
können neue Strategien erfunden und umgesetzt werden.
· Geschlechts-spezifische Themen im Internet
Netzkünstlerinnen arbeiten verstärkt zu Themen wie
Körperlichkeit, Materialität, Repräsentation,
Subjektivität. Wozu und zu welchem Ende? Ist das nur die Brille,
mit der wir Texte und Kunstwerke von Frauen analysieren und wahrnehmen?
· Ein Raum für uns allein
Abgrenzungs-Strategien: die Tendenz, geschlossene oder auch geschützte
Räume für bestimmte, an gemeinsamen Interessen orientierte
Gruppen zu schaffen. Im Netz - Frauen-Mailing-Listen, Web-Spaces for
Women only ... Ein Trend hin zu "temporären autonomen Zonen"
ist zu beobachten. Wie wird auf einer optisch/formalen Ebene diese
Distanz kreiiert, wie wird im Netz *Differenz* wahrgenommen.
· Konstruktion von Geschlechtsidentität
MOOs und MUDs als Orte des Gender Switchings, der *multiplen*
Persönlichkeiten. Welche Relevanz haben diese Rollen-Inszenierungen
im virtuellen Raum, in welcher Relation stehen sie zu traditionellen
Rollen-Verteilungen im realen Leben. Welche theoretischen Positionen
erklären den Wunsch nach dem jeweils "Anderen".
Cyberfeminismus und Old Boys Networks
Ausgehend von der 1st Cyberfeminist Internationale der DokumentaX
in Kassel und ihrer Fortsetzung im Jahr 1999 in Amsterdam hat sich
ein Netzwerk von aktiven Frauen im Netz gebildet. Diese Positionen
sollen diskutiert und als Lebensweltmodelle zum elektronischen Netz
diskutiert und mit dem sogenannten Real Life der Teleworkerin am
elektronischen Webstuhl verglichen werden. Ich lebe von e-mail!
Die "FAKULTAET"
nahm diesen Text als Ausgangspunkt, um sich dem Thema
"Gender Technologien" zu nähern. In etlichen Gesprächen,
in unterschiedlichen Besetzungen dachten wir an Schreibmaschinen
und Computer, Spiralen und Kondome, Büstenhalter und Korsetts,
redeten über Medizin und Körperchirurgie, Sex Toys und Jungfrauenmaschinen.
Gleichzeitig wurde uns klar, dass uns nicht nur die Technologien
als solche interessierten sondern auch all jene Techniken, mit denen Mann-
oder Frausein in Szene gesetzt werden. So kamen kulturelle Praktiken ins Spiel und wir
vollzogen den "performative turn" mit.
Der folgende Text ist daher der aktuelle Stand der Diskussion:
Juggling Sex, Gender and Sexual Technologies (1.2.2001)
Unter Geschlecht bzw. Geschlechtertechnologie versteht Teresa de Lauretis
das Produkt verschiedener sozialen Technologien, institutioneller Diskurse,
Epistemologien, kritischen wie auch alltäglichen Praktiken - nicht
jedoch essentielle Eigenschaften biologischer Körper. Dieses Symposium
bedient sich dieses Begriffes von Gender Technology und diskutiert
verschiedene Techniken, wie Geschlecht konstruiert und auch dekonstruiert wird.
Bekanntlich sind dichotome Begrifflichkeiten wie Mann - Frau, schwul/lesbisch
in den letzten Jahren zunehmend ins Schwanken geraten. Was macht den Mann
zum Mann - die Frau zur Frau? Welcher Techniken, im Sinne von kulturellen
Praktiken, bedienen sich Personen zur erfolgreichen Konstruktion ihres
Geschlechtes? Welche Konsequenzen hat der technologischer Fortschritt auf
Geschlechtertheorie, wenn der aktuelle Diskurs chirurgische Eingriffe in
den Geschlechterkörper als eine Form der Schönheitschirurgie
versteht, und Künstlerinnen wie Orlan die Technologie der plastische
Chirurgie als persönliches künstlerisches Ausdrucksmittel adaptieren?
Die Kategorienkrise dekonstruiert aber auch die herkömmliche Unterscheidung
zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit und dringt bis in unsere
Schlafzimmer vor, um unsere unterschiedlichen Sexualitäten zu zelebrieren
und von Normzuschreibungen zu lösen. Sexuelle Identitäten werden
zunehmend als instabil wahrgenommen, Menschen durchwandern heterosexuelle
Phasen gefolgt von schwul/lesbischen, definieren ihre Geschlechtidentitäten neu,
wechseln ihre Sexualpraktiken (vanilla, S/M) oder praktizieren gleichzeitig
sämtliche oder auch gar keine Sexualitäten. Selbst die Technologie
macht vor unserer Sexualität nicht halt, neueste Vibratorenformen, neueste
Silikonprodukte kommen auf den Markt, fordern uns zum Spiel auf. Gleichzeitig
wird sexuelle Praktik, die Performance des Orgasmus, mit einem Spiel zwischen
Aktivität und Passivität aber auch zur Inszenierung der
Geschlechteridentität eingesetzt.
Dieses Symposium verknüpft spielerisch die aktuelle Diskussionen um Geschlecht,
Sexualität, Technik und performative Praxis und ermuntert zur Dekonstruktion
althergebrachter Geschlechternormen.
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