von Willi Erdmann , Februar 95
Du bist müde und willst dich entspannen. Du kommst überdreht aus der Nacht und willst dich beruhigen. Du sitzt einfach nur daheim und willst nix Bestimmtes, eigentlich solltest du raus an die frische Luft. Doch was solls, mach die Duftlampe an und leg dir eine Ambientplatte auf. Gib dem Hippie in dir eine Chance!

"Ambient": das Umgebende, Einkreisende, Einschließende - kommt vom lateinischen "ambo" (Präfix). Ambient ist die harmonische Verschiebung disparater, einzelner Einheiten - die Überblendung verschiedener Sounds, um einen zu erschaffen. Ambient Culture versucht eine Synthese von Geräusch und Akkord, von Ego und Psyche.

Das hört sich nach Innerlichkeitswahn an oder "Zen", hat seine Wurzeln genauso in der Kirchenmusik des 14. Jhdt., wie im Versuch z.B. Mahlers die Farben der Bäume durch die Komposition hervorzurufen. Als Gottvater ist hier Satie zu nennen, dessen kommerzielle Überverwendung ein eigenes Kapitel wert wäre. Seine Verwendung der Tonfarben, deren freie Setzung und das Erzeugen von «Stimmungen» waren vorbildlich. Moderne ambient sounds sind eine Verbandelung von Technologie und "Spiritualität".

Die psychedelische Aufgewecktheit der 60er und frühen 70er kommen mit der Technologie der "young primitives" zusammen. Entspannte Hip-hop beats, die 808 Maschine, Echo sounds, dub melodies, gesampelte Stimmen, Aquasound, Naturgeräusch....sind die Ingredienzien.

Natürlich müssen wir an dieser Stelle Brian Eno würdigen sowie Harold Budd und alle, die den Minimalismus schon immer liebten. Vielleicht kennen manche noch vom Schikurs Tangerine Dream, die Synthesizer-Pioniere, deren subtile Percussionsanwendung oft in Film und "Stimmungsmusik" Verwendung fanden. Von da an ging Ambient verzweigte Wege Richtung psychedelischer Rock und New Age - jeder kennt doch die Armsesesselmusik von Vollenweider und Vangelis. KLF, The Orb, Meat Beat Manifesto markierten später härtere "Industrial"-Klänge im Ambientbereich, die zeitgenössische Ausformung ist von Dub dominiert. Die Dubfiltertechnik revolutonierte die Art des Mixens in Verbindung mit Echo und Reverb. Damit wurde auch Reggae eine neue Landschaft eröffnet. Ingenieure wie King Tubby und Lee "Scratch" Perry sind als Pioniere zu nennen. Heutzutage umfaßt die Ambient-Fangemeinde Rastas wie New-Age-Hippies, Househeads wie Raver.

Ambient ist auch ein sehr populärer "Bedtimesport"; bei DJs, als ideale Resteverwertermusik bleibst sie Steckenpferd, includiert Sound ebenso wie die stille Pause. Sie ermöglicht außerhalb der Spezialisierung "Komposition während des Mixens".

Die Chill-Out-Räume der großen Raves haben Ambient eine kleine Nische der Ravekultur werden lassen, ursprünglich dienten sie der Erholung der Tanzenden....

Ambient tendierte dazu, nur im psychedelischen Kontext gesehen zu werden. Mittlerweile hat sich diese Richtung verselbständigt. Der generelle Konsens für alle Fans und DJ;s heißt: es gibt keine Regeln, die rigide Struktur der Tanzmusik"macht auf". Eine kleine Liebhabergemeinde ist auch in Linz zu orten, bleibt jedoch vorerst in der Privatheit.

CUT UP, FOLD IN: Sehr hip - Nasenrückenoperation, das Kellerrave + das "nur-für-meine-Freunde-Rave"; sind stark im Kommen + statt der After Hour am Sonntag indie Messe gehen. "Stonewall"-Besuche bestätigen ein angenehmes happy gay guy feeling. Houseleute - beim nächsten Vollmond ab in den Kanal!

GOSSIP: Unity in Raveland, DNS versammeln was Rang und Namen hat. Vorläufiges Ergebnis: Alle lieben Alle - gemeinsame Anliegen erfordern übergreifende Lösungen, genauere Infos demnächst + Flyern und Ankündigungen zu entnehmen. Voraussichtlicher Termin für Streich 1: "Sinuswelle" am 2.2.95, 22.30 auf Ö-Regional.