Spätestens seit den noch unaufgeklärten Vorgängen in Ebergassing scheint es in Österreich ein neues politisches Ritual zu geben. Nacheinander tritt nun jede/r PolitikerIn, die/der auf sich hält, vor das nächstliegende Mikrophon, um in dieses hineinzusagen, daß sie/er auf jeden Fall jede Art von Gewalt ablehne, und Gewalt niemals ein Mittel der Politik sein dürfe.
Und jene PolitikerInnen, die diesen Schwur nicht aus eigenen Stücken leisten, werden solange schief angeschaut und von den JournalistInnen sekkiert, bis sie aufgeben und eben auch sagen, daß Gewalt etwas ganz Böses ist, das sie niemals gutheißen oder gar anwenden würden.
Ich persönlich halte das Proklamieren eines Gewaltverzichts allerdings für durch und durch verantwortungslos. Ich will jetzt gar nicht den Kampf gegen den Nationalsozialismus bemühen, um zu belegen, daß Gewalt durchaus ein unterstützenswertes Mittel der Politik sein kann.
Nur soviel möchte ich gesagt haben, daß Politik in erster Linie keine Frage von Sitte und Anstand ist, sondern eine Frage von gegensätzlichen Interessen, und nicht jene Gruppe, die die meisten guten Menschen in ihren Reihen vereint, wird sich behaupten, sondern die, die es versteht, ihre Interessen am besten durchzusetzen.
Dabei von vornherein zu sagen: "Gewalt werden wir niemals anwenden - didl dü, didl dü", schwächt zumindest die eigene Position, und ich bin für so einen Blödsinn sicher nicht zu haben.
Auch wenn man (persönlich) gar nicht daran denkt, jemals Gewalt anzuwenden, kann es nie schaden, wenn man zumindest in der Lage ist, damit zu drohen.
Vor allem gibt es den Staat nicht (mehr?), dem ich ruhigen Gewissens das Gewaltmonopol überlassen würde.
Ich für meinen Teil bleibe erst einmal dabei, daß es Gewalt gibt, der ich zustimme, und solche, die ich ablehne. Es kommt ganz darauf an, wer gegen wen Gewalt anwendet, und was damit erreicht werden soll.
Ob es sich um Gewalt gegen Menschen oder um Gewalt - sagen wir einmal - gegen Strommasten handelt. Das gilt es, sich anzusehen und von Fall zu Fall zu entscheiden, ob man dafür oder dagegen ist.
Aber noch Schlimmeres als diese einfältige Gewaltabschwörerei steht zu befürchten. Denn auch in Österreich scheint sich eine Strömung breit zu machen, die man in den USA "Political Correctness" nennt.
Eine Bewegung, mit der ich mich gar nicht recht beschäftigen mag, weil schon das bißchen, das ich ungefragt davon mitbekommen habe, fürchterlich ist.
Anscheinend geht es darum, durch besondere Liebenswürdigkeit den politischen Gegner so zu beschämen, daß er vor lauter Scham (weil er kein so guter Mensch ist) die politische Bühne verläßt, um diese den moralisch Höherstehenden zu überlassen.
Im Grunde genommen ist es mir auch vollkommen gleichgültig, was damit bezweckt werden soll.
Das einzige, was mich stört bei der Sache ist, daß einige meiner FreundInnen anscheinend darauf reinfallen. Zumindest werde ich immer wieder beschimpft, weil ich angeblich zu grob, zu herb oder was weiß ich was bin.
Einer dieser lieben Menschen hat mir kürzlich sogar vorgeworfen, daß meine Art zu schreiben faschistoide Züge hätte, als ob Faschismus eine Frage der Kinderstube und des guten Benehmens wäre.
Ich befürchte, daß nach der "neuen Mütterlichkeit" und der "neuen Bescheidenheit" auch noch das "neue Liebsein" ausbricht. Zumindest meint manche/r Bekannte von mir, die/den ich bereits bei den beiden vorhergehenden Strömungen für durchaus anfällig hielt, man dürfe sich nicht auf die Ebene der Beleidigung und Beschimpfung begeben, sondern müsse bei allen weltanschaulichen Unterschieden Form und Anstand bewahren.
Da lob' ich mir halt meinen alten Freund und Kolumnen-Nachbarn Matti Link, der seit Jahren der hohen Schule des Beleidigens und Beschimpfens frönt, und darin bereits eine beachtliche Kunstfertigkeit erlangt hat.
Und ich kann immer nur wieder neidvoll auf die zahlreichen Reaktionen, die er sich Nummer für Nummer redlich erschreibt, blicken und ihm zurufen: "Bravo Matti Link, nur weiter so und kräftig reingesemmelt!"
Aber zurück zum anderen Spektrum, wie Menschen sein können. Zurück zu den "Neuen Lieben", und denen noch ein bißchen ins Stammbuch gekritzelt.
Und Liebsein können sich nur die leisten, die sich auf der sogenannten Sonnenseite des Lebens tummeln.