Reaktion auf "Zeit & Genossen", April 95

Reaktion zu Zeit & Genossen /März 95

Na prima, mit Antifaschisten wie Matti Link brauchen sich die Rechten gar nicht mehr zu verstecken - sie sind unentbehrlich geworden!

Genau das ist nämlich die ungeheuere Forderung, die sich wie ein feuchter Furz durch dein Gewebe polarisierender Fragwürdigkeiten zwängt. Du reihst Dich damit mühelos in die Riege derer, die Antifaschismus als Exhumierung betreiben.

Ich behaupte nicht, daß der Antifaschismus ein Relikt aus Ehschonlängstvorbei-Zeiten ist - im Gegenteil. Ich meine aber doch, daß er sich in mancherlei Hinsicht überlebt hat.

Der Antifaschismus von heute aber muß in renovierter Form wirken, zur selbstverständlichen Komponente eines allgemeinen Moralverständnisses werden. Ganz wichtig: sich dem veränderten Umfeld, sprich einer veränderten rechten Szenerie, formal anpassen, dabei aber inhaltlich natürlich der Alte bleiben.

Aber Leute wie Du fordern geradezu einen starken Faschismus, damit (!) man ihn bekämpfen kann (d.h.: damit man Antifaschist sein kann). Absoluter Wahnsinn! (Ihr tut so, als wäre es enorm cool, Antifaschist zu sein - es ist beschissen, aber eben leider (noch) notwendig). Ihr fühlt Euch irre wohl in Eurer Rolle als Kämpfer gegen das Böse.

Was aber tun, wenn der Staat sich plötzlich (endlich) einmischt und die Rechten zu Haftstrafen verdonnert? Auch die zumeist skandalös niedrig ausfallenden Urteile täuschen nicht darüber hinweg, daß da plötzlich jemand ist, der sich in "Euren" Kampf einmischt und dessen Antifaschismus viel erfolgreicher und effektiver ist, als der eigene es je war.

Und auch die mediale Berichterstattung geht nicht mehr mit ihrer politischen Korrektheit hausieren, weil es ja inzwischen eh jedem klar ist, daß rechte Kriminelle sind, die jenseits der Normalität stehen.

Ich will mit dem ganzen Schwafel nichts beschönigen oder unter den Tisch kehren, aber wir sollten mal begreifen, daß es nicht mehr so beschissen auf der Welt zugeht, wie das manche von uns gerne sehen würden.

Auch wenn es schwer fällt, einzusehen: Antifaschismus ist keine Bewegung (mehr), sondern eine Geisteshaltung. Ich will Dir diese Geisteshaltung nicht absprechen, aber das Verständnis für sie.

Raimund Lang


Also, sehr geehrter Herr Raimund Lang, die Welt ist gut, und alle haben einander lieb, und Sie anscheinend besonders jene, die mit neurechter Schreibe faschistische Ideologie und Praxis verharmlosen, salonfähig machen wollen. Wenn Sie Antifaschismus als Geisteshaltung einfordern, so stellt sich die Frage, was da bei Ihnen Haltung annehmen sollte. Im übrigen spricht aus Ihrem Brief - verzeihen Sie - pathologischer Realitätsverlust oder um mit Engels zu reden, der, zu einem wesentlich ernstzunehmenderen Gegner im Disput meinte "Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn".

M.L.

PS.: Der feuchte Furz ungeheuerer Forderungen polarisierender Fragwürdigkeiten macht mir selbstverständlich auch Sorgen. Es wird doch hoffentlich nicht im Gewebe einer renovierten Geisteshaltung eingezwängt sein.