Free Radio for the Tonga people!
tonga.onair - Free Radio for the Tonga people!
 
TRAVELOGUE
Aufbruch
Ein Freies Radio in Sambia - brauchen die Menschen dort so etwas überhaupt? Brauchen sie nicht eher Brunnen, medizinische Hilfe, Lebensmittel?
Natürlich hinterfragten auch wir die Sinnhaftigkeit unseres Vorhabens, in einer der ärmsten Regionen Sambias, am Karibastausee an der Grenze zu Simbabwe, ein Sendestudio für ein Community-Radio aufzubauen und die Bewohner der Community in Workshops zu Produzenten ihrer eigenen Radiosendungen auszubilden.

Abflug Flughafen WienViele Zweifel und Ängste fuhren mit uns (das Scheitern unseres Projekts war uns schon von einigen prophezeit worden), als wir am 11.7. über München und Johannisburg nach Lusaka, der sambischen Hauptstadt, aufbrachen. Dort sollte uns das Wochen vorher vorausgeschickte Studioequipment erwarten, mit dem es dann in das 300 km entfernte Sinazongwe weitergehen sollte.  
Tomorrow
Bei unserer Ankunft werden wir gleich mit dem ersten Problem konfrontiert und lernen ein in Afrika äußerst wichtiges Wort kennen: tomorrow.

Saviour Miyanda, der im Vorfeld wichtige Vorbereitungen vor Ort geleistet hat und seit Monaten unser Kontaktmann ist, holt uns pünktlich vom Flughafen ab und teilt uns mit, dass unsere Fracht zwar angekommen, aber noch nicht aus dem Zoll "gecleart" sei. Wir sollten uns aber keine Sorgen machen. Ein, zwei Nächte in Lusaka, und dann werde sicher alles zur Verfügung stehen und es könne ab nach Sinazongwe gehen. Wir sind noch nicht besonders beunruhigt und nützen die Zeit in Lusaka für intensive Vorbereitungen auf die Workshops.

Nach zwei Tagen: perhaps monday. Also bringt uns Saviour nun doch nach Sinazongwe, wo wir bei den Behörden und in der Basic School, in der das Studio errichtet werden soll, unser Projekt vorstellen und einen genauen Workshopplan aufstellen, in der Erwartung, dass das Equipment jeden Moment eintreffen wird.

Unsere Geduld wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, denn um die immerhin 400kg schwere Fracht aus dem Zoll zu bekommen, muss ein Minister seine Unterschrift geben. Der ist aber irgendwo unterwegs... Viele Menschen versprechen uns ihre Hilfe (der Schuldirektor, natürlich Saviour, der viele Stunden opfert, der District Commissioner...)

Von Tag zu Tag werden wir nervöser und sehen unser Vorhaben schon gescheitert, machen so genanntes "Trockentraining", also Radioworkshops ohne Studio, ohne Praxisbezug, und warten. Allgemeine Tröstungsversuche: Don't worry, perhaps tomorrow. We are in Africa".
Kommunikationsprobleme
WorkshopplanBestens vorbereitet stürzen wir uns in den ersten Workshop mit 14 TeilnehmerInnen. An drei aufeinander folgenden Tagen sollen die künftigen Radiomacher in jeweils drei Stunden über die Grundlagen Freier Radios, Recherche, Interview-, Aufnahme- und Studiotechnik ausgebildet werden. Das Hauptproblem: Kein Studio, nur ein Aufnahmegerät, das im Handgepäck mitgereist ist, kein Büromaterial, kein Drucker für die penibel zusammengestellten und übersetzten Handouts.

Trotzdem verläuft der erste Tag sehr zufrieden stellend, obwohl wir Schwierigkeiten haben, das Englisch der Teilnehmer zu verstehen. Wir müssen uns erst "einhören". Leider kommen wir überhaupt nicht auf die Idee, dass es umgekehrt genau so sein könnte. Die 11 Männer und drei Frauen nicken immer sehr freundlich und interessiert, und begeistert wandern wir am Abend die 45 Minuten in unser Quartier und sind sehr zufrieden mit uns.

Am nächsten Tag die große Ernüchterung. Wir müssen feststellen, dass vieles überhaupt nicht verstanden wurde und große Unsicherheit herrscht. Wir analysieren die Situation und erkennen, dass wohl einerseits unser Englisch zu europäisch, vielleicht auch zu anspruchsvoll und zu schnell war, aber vor allem: In Sinazongwe konnten Radioprogramme wegen der geografischen Lage bis jetzt nicht empfangen werden, die Menschen wussten teilweise überhaupt nicht, wovon wir sprachen. Also beginnen wir sozusagen bei "Adam und Eva" und langsam kommen alle in Fahrt. Interessante Inhalte für Radiosendungen werden ausgearbeitet, Interviewpartner sollen eingeladen werden, Regiepläne werden erstellt.
Aber: Immer noch keine Ausrüstung. Nach drei Tagen Schulung müssen wir die TeilnehmerInnen bitten, in einer Woche wiederzukommen, um die theoretisch erarbeiteten Sendungen im Studio aufzunehmen. Dabei wissen wir nicht wirklich, ob die Ausrüstung bis dahin überhaupt da sein wird.
Endlich geht's los!
Der Mast ist aufgestellt Zehn Tage nach unserer Ankunft kommt endlich der Transport in der Basic School an. Von nun an werkt Marcus, unser Techniker, Tag und Nacht, um die verlorene Zeit aufzuholen.
Beim nächsten Workshop läuft von Anfang an alles besser, weil wir - nach der ersten Erfahrung- unser Programm völlig umgestellt und vereinfacht haben und natürlich auch schon etwas vom Studio zu sehen ist, wenn es auch noch nicht benutzbar ist. Marcus arbeitet zwar wie besessen, aber Wunder wirken kann auch er nicht. Nach zwei je dreistündigen Workshops an einem Tag, einem mit Schülern, dem anderen mit 26!!! Lehrern - sind wir am Abend fix und fertig. Aber auch diese Gruppen müssen wir auf Ende der Woche vertrösten, weil wir noch nichts aufnehmen können.
Achtung, Aufnahme!
Beim Mast Aufstellen Zwei Tage vor der feierlichen Übergabezeremonie ist das Studio schließlich aufnahmebereit und auch der Sendemast wird endlich von den Experten aus Lusaka genehmigt. Auch da wurden wir auf eine harte Probe gestellt, denn wie das halt in Sambia so ist, muss man Geduld haben. Aber es geht sich gerade noch aus.
Wir haben an diesem Tag einen dichten Terminplan, wollen Sendungen mit mehreren Gruppen aufnehmen, den Chief von Sinazongwe im Studio empfangen, um mit ihm über die Handover-Ceremony zu sprechen und ihn von einer Teilnehmergruppe interviewen zu lassen, und Marcus muss mit den Experten wegen des Masts verhandeln.

Studio interview with Chief SinazongweUm 14:00 erwarten wir die erste Gruppe, und dann soll es Schlag auf Schlag gehen. Aber bis 15.30 ist kaum jemand da, die Anwesenden wissen nicht, ob die anderen Gruppenmitglieder noch kommen werden, die haben aber die Regiepläne und Interviewfragen, die geplanten Interviewpartner sind auch irgendwie verloren gegangen, nur der Chief kommt, weil wir ihn selber eingeladen haben, aber natürlich auch viel später als angekündigt. Das Chaos ist perfekt, gestresst arbeiten wir mit den wenigen Anwesenden völlig neue Regiepläne und Interviewfragen aus, als bis 16:00 plötzlich doch noch fast alle da sind und zum Großteil auch ihre ausgearbeiteten Pläne mithaben.
Chief Sinazongwe gives an interviewWieder einmal machen wir die Erfahrung: In Sambia gehen die Uhren anders.
Die Sendungen sind dann sehr interessant und trotz einiger Improvisationen richtig gut. Unter den neuen RadioproduzentInnen sind einige Naturtalente, die vor Begeisterung am liebsten im Studio übernachten würden.
Twalumba
Ende Juli wird in Sinazongwe immer das Lwiindi - Fest gefeiert, eine Art Mischung von Erntedank und Totengedenken. Im Rahmen dieses Festes findet unsere Handover-Ceremony statt, in der wir das Freie Radio der Community offiziell übergeben.
An den Aktivitäten der Lehrer der Basic School merken wir schon einen Tag vorher, dass für diesen Anlass große Feierlichkeiten geplant sind.
Während der feierlichen Handover Ceremony. Foto: Peter Kuthan Viele Ehrengäste wie Chief Sinazongwe, Senior Chief Mweemba, der Bildungsminister, der District Commissioner, der District Education Board Secretary und die stellvertretende Direktorin der Sinazongwe Basic School halten Dankesreden und auch wir bedanken uns bei allen, die unser Projekt unterstützt haben: Chief Sinazongwe, Saviour Miyanda, der im Vorbereitungsjahr viel wertvolle Organisationsarbeit geleistet und für unseren Transport in Sambia gesorgt hat, und Mr. Moyo, der uns in seinem Guesthouse beherbergt und sich um unser Wohlergehen gekümmert hat. Vor allem aber ist er derjenige, der vor Ort schon viel Vorarbeit für das Community-Radio geleistet hat und auch in Zukunft dafür sorgen wird, dass alles läuft. Nicht zu vergessen die LehrerInnen der Basic School, die uns die ganze Zeit unterstützt und ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt haben.

Der Schulchor singt nach der feierlichen Landeshymne ein eigens für uns einstudiertes "Radiolied" mit mehreren Strophen. Sie singen es in ihrer Sprache der Tonga, aber das Wesentliche verstehen wir, denn ein wichtiges Wort haben wir gleich am Anfang gelernt: twalumba - danke.


Gerührt nehmen wir Abschied von Sinazongwe und all den Menschen, mit denen wir mehr als zwei Wochen zusammen waren. Twalumba für eure Gastfreundschaft, eure Herzlichkeit und Offenheit und für alles, was ihr für uns getan habt! Der Aufenthalt in Sinazongwe war eine bereichernde Erfahrung, und die gewonnenen Eindrücke werden wir bestimmt nie vergessen.