Einige der im MOVIEMENTO anlaufenden Filme seien nicht nur dem cineastischen Stammpublikum ans Herz gelegt.

Welche, das verraten Wolfman Lonely und Dee Dee Neidhart.


EIN KURZER FILM ÜBER DAS TÖTEN

Als Reprise läuft Krzysztof Kieslowskis EIN KURZER FILM ÜBER DAS TÖTEN, der in 90 Minuten klar und deutlich, visuell grandios von einem jungen Mann erzählt, der einen Taxifahrer auf äußerst brutale Weise umbringt und dafür zum Tode verurteilt und hingerichtet wird. Anhängern der Todesstrafe schärfstens empfohlen, die gehen eh viel zu selten ins Kino.


VOR LAUTER FEIGHEIT GIBT ES KEIN ERBARMEN

Andreas Grubers VOR LAUTER FEIGHEIT GIBT ES KEIN ERBARMEN basiert auf den authentischen Ereignissen einer Menschenjagd, die unter dem zynischen Titel "Mühlviertler Hasenjagd" in die Geschichte Österreichs eingegangen ist. Im Februar 1945 versuchen 519 russische KZ-Häftlinge den Ausbruch aus dem Todesblock 20 des Lagers Mauthausen. Etwa 150 von ihnen gelingt tatsächlich die Flucht. Nach Aufforderung der SS bricht eine barbarische Menschenjagd an, bei der ein Großteil der KZ-Häftlinge grausam zu Tode kommt. Zwei junge Offiziere schaffen es, sich zum Hof der Bauernfamilie Karner durchzuschlagen. Unter Lebensgefahr versteckt die Familie die beiden. Feigheit und Erbarmen - Gehorsam und Verweigerung, Großmannssucht und Großherzigkeit werden von Andreas Gruber eindringlich und berührend dargestellt. Vordergründige Gewaltszenen werden ausgespart, ohne daß der Film an Härte verliert. Blöde Witze wie bei SCHINDLERS LISTE werden während der Vorführung unterbleiben. Schade nur, daß dieser Film bei der österreichischen Einreichung zum Auslandsoscar nicht zum Zug kam. Die Chance auf ein konstruktives kulturpolitisches Signal nach USA - Österreich besteht nicht nur aus Waldheim und Haider - ist somit auf längere Zeit vergeben.


AKTION K

Einen Blick auf die gegenwärtige Wirklichkeit hinter diesen Ereignissen wirft der Freistädter Bernhard Bamberger während der Dreharbeiten Grubers: Seine Dokumentation AKTION K wurde auf der letzten Salzburger "Diagonale" heftig kritisiert. Was nicht heißen soll, daß sie mißlungen ist. Hingehen, ansschauen und Position beziehen!


A THING CALLED LOVE

Mit "The Last Picture Show" (1971) zeichnete Peter Bogdanovich das Portrait einer Jugend zwischen den Zeiten. Es ist Mitte der Fünfziger, Elvis verdient sein Geld noch als Truckdriver und aus den ländlichen Jukeboxen erklingt der erste Drogentote der Popmusik, Countrylegende Hank Williams. Life sucks und wenn man nicht aufpaßt, findet man sich mit einem "Missing In Action"-Aufkleber wieder. Knapp 20 Jahre später schickt Bogdanovich eine Handvoll Musiker ins Country-Mekka Nashville, um sie dort ihren Goldtopf am Ende des Regenbogens suchen zu lassen. Elvis ist inzwischen tot bzw. Chef einer Pizzeria in Bindermichl und Country der Affe, der immer öfter auf unseren Schultern sitzt. Wer da in Liebe fällt und cool bleiben will, brabbelt plötzlich viel Stuß daher, gebiert sich linkisch und baut einen schönen Batzen Bockmist. River Phoenix kann das alles sehr gut (vgl. "Dogfight") und abseits jeglicher, postmortalen Heldenverehrung zeigt der Film auch die offene Wunde, die Phoenix's Tod im Kino hinterlassen hat. Ihm zur Seite bzw. gegenüber steht die herrliche Samantha Mathis. Ein tough girl, das weiß, was es will, aber auch nicht gefeit gegen das Stechen im Herz, wenn dieses Ding namens Liebe einmal ausschlägt. Elendige Einsamkeit, elendige Zweisamkeit, elendiges in Liebe fallen, elendiges um den Brei herum reden.

Es sind besonders die Songs (Achtung! Auf der Soundtrack-CD sind die besten Stücke nicht drauf!), in denen, weit mehr als in den Dialogen davon erzählt wird, wie es einen zerwuselt, wenn man das Objekt seiner Begierde plötzlich erblickt. Und dann ist noch Dermont Mulroney (mit Cowboyhut) als second line-Rückhalt/bester Freund von Beiden, dem wir wirklich, zwischen all den kleineren und großen Missverständnissen das Glück wünschen. Aber bekanntlich ist das Leben ein Country-Song, der unseren Namen trägt. Spätestens seit den Palace Brothers sollten wir das wissen.

Und nach dem Kinobesuch: Stephen Yerkey's Country-Delirium "Confidence, Man" auflegen!

Didi Neidhart


SKIDOO

Otto Premingers bester schlechter film. der Mann, der mit LAURA, ANATOMIE EINES MORDES, FLUSS OHNE WIEDERKEHR etc. Filmgeschichte gemacht hat, drehte 1968 im Alter von 62 Jahren einen LSD-Film.

Mobsterboß "God" Groucho Marx schickt den pensionierten Gangster Tony (Jackie Gleason) nach Alcatraz, um den dort einsässigen Mickey Rooney zu liquidieren. Dort gelangt LSD ins Gefängnisessen und davon, handelt dieser Film. Carol Channing singt den Titelsong und strippt, Harry Nilsson schrieb die Musik und spielt einen Wärter auf Trip.

Weiters sehen wir Frankie Avalon, Peter Lawford, George Raft, Slim Pickens, Richard Kiel, John Phillip Law sowie die TV-Batman-Schurken Frank Gorshin, Burgess Meredith und Cesar Romero. Kostüme von Rudi Gernreich, Regieassistent: Erich von Stroheim jr. Ein "Turkey" - in Österreich erstaufgeführt beim Filmfest Wels 1994.


MOVIEMENTO IM MÄRZ 95

von Wolfman Lonely , März 95
Ein Großteil der Programmfläche des MOVIEMENTOs im März ist mit Atom Egoyans neuem Film EXOTICA zugepflastert. Das spricht für sich, dazu können wir nichts sagen, weil wir ihn noch nicht gesehen haben. Was wir aber gesehen haben und mit Nachdruck empfehlen können ist

DAZED AND CONFUSED

(USA 1993, R: Richard Linklater)

Die Siebziger sind zurück auf der Leinwand! Austin, Texas, 28.Mai 1976, 13:05. Schulschluß. 24 Highschool-Kids in einer simplen Geschichte gleich einer filmischen Zeitmaschine. Sie lassen sich zusehen bei den Aufgaben dieses Sommers, die das sind: Bier, Partys, Ausnützung sturmfreier Buden, intensive Anwendung der im Werkunterricht hergestellten Bongs, peinliche und erniedrigende Initiatinsrituale durch die Seniors, Baseball, Schlägern, Schmusen etc.

Richard Linklater hat um wenig Geld ein AMERICAN GRAFFITI für die 70er gedreht und dabei auf nostalgisches Pathos zugunsten einer unspektakulären Erzählung (die Geschichte endet am nächsten Morgen) verzichtet. Was hatten diese jungen Menschen damals? 200 Jahre USA im popkulturellen Niemandsland aus Postglam und Prepunk, Lehrer der Vietnam- und Woodstockgeneration und Autos (wir hatten Kreisky, Pickel und bestenfalls ein Moped).

"Nobody looks back at the '70s like it was the age of innocence. It wasn't this simple, less confused time. The people who lived through the '70s know it kind of sucked. Just like all teenage years sucked", meint Linklater, der zur Zeit des Films selbst so alt war wie seine Figuren, die er alle mit autobiographischen Elementen versehen hat.

"I was going through a 16-year-old existential crisis. One year I just quit thinking and decided to have fun."

Der Spaß nimmt im Film keine überdrehten Formen an, was diese jungen Menschen glaubwürdig und die Sache rundum symphatisch macht - als junger Mensch hat man das Recht, sich so zu benehmen, wie man es eben gerade will und schafft. Und sogar revolutionärer Widerstand keimt gegen Ende auf - unter dem Motto "Sport und Drogen dürfen kein Widerspruch sein!"

Bei soviel Bier, Musik (Alice Cooper, Black Sabbath, Runaways, Kiss, War, ZZ TOP u.v.a.m.) und Pot ist dem Publikum angeraten, den Film in tranquiliertem Tustand zu betrachten.


Slater, Pink und Don sind Dazed and Confused

DAZED AND CONFUSED ist Linklaters zweiter Film, sein erster, SLACKER, ist der Vollständigkeit halber 14 Tage vorher am selben Ort zu sehen.


Und noch ein Tip: als Reprise läuft WIEDERSEHEN IN HOWARDS END, ein unerwartet spannender, böser Film, eine Noir-Story aus dem England der letzten Jahrhundertwende.


Ab 31.März läuft für eine Woche neues österreichisches Filmmaterial im Rahmen der DIAGONALE-Tournee 1994/95. Unsere Empfehlung gleich für den ersten Teil ist das Doppel aus MIX-1, 32 FILME 1989-1994 von Dietmar Brehm und Reinhard Juds turbulentes Doku-Drama KAMENIGRAD - STADT AUS STEIN, gleichfalls ein Teenagerfilm, mit Kids aus immigrierten jugoslawischen Familien (Musik u.a. von Schönheitsfeler, Wipe Out, Fetish 69 und Blow).