Reaktion auf "Zeit & Genossen", März 95

Lieber Hillinger,
ich gratuliere sehr herzlich zur März-Nummer! Und sehr geehrter Matti Link, ich hätte nicht gedacht, wie viel in meinem Kommentar ("Rückkehr zur Bescheidenheit?") im Oberösterreichischen Kulturbericht Jahrgang 49/Februar übers Fordern des Förderns hineinzulesen (und hinauszulesen) ist. In Ihrem Gegenkommentar unterläuft Ihnen leider während des Zitierens der Fehler, daß Sie den inneren Kontext meines Kommentars willkürlich verkürzen oder einfach beliebig Passagen weglassen, die unbedingte Vorraussetzung für die Lesart anderer Textstellen sind. (Im übrigen eine immer häufiger werdende Praxis, Gegnern mit aus dem Kontext gerissenen Zitaten das Gegenteil von dem nachweisen zu wollen, was sie ursprünglich gemeint haben.) Damit isolieren Sie die von mir beabsichtigten, als anregende Provokation gedachten Zeilen von wichtigen Zwischentönen, wie etwa: "In all diesen ... Beispielen werden öffentliche Gelder (vergeblich) verlangt, (nicht) ausgegeben oder (glücklicherweise oder leider) vorenthalten."

Die neun von mir angeführten Beispiele hätten Sie nur genauer lesen sollen, denn dann hätten Sie mir nicht - geradezu böswillig - als Ungeheurlichkeit unterstellen können, daß die Beispiele zum Ausdruck bringen sollen, die gesamte Dichterschaft sei "ja viel weniger aufs Dichten und Schreiben aus, als aufs Kassieren..." Mir das zu unterstellen ist schlichtweg ein großer Blödsinn. Ich bin nämlich nicht nur ein Freund der Literatur, sondern von ihr besessen. Selbstverständlich stehe ich auf der Seite der Autoren, die für ihre Leistungen in der Regel viel zu wenig verdienen. Das ist aber eine Frage der grundsätzlichen gesellschaftlichen Einstellung und Wertschätzung, der Verträge und Honorare - und doch niemals eine Frage der kompensatorischen Förderung. Eine entwürdigende Förderung ließe sich erübrigen, wenn die den Autor würdigenden Honorare stimmen.

Literatur aber an sich hat Förderung als Voraussetzung nicht not, ihr ist vor allem Ehrerbietung durch die Leserschaft zu erweisen. Punkt! Für mich ist halt, - bitte um Entschuldigung! - die Literatur an sich und ihre adäquate Wertschätzung allemal wichtiger als jedwede Förderung. In Ihrem mich zurechtweisenden Kontrakommentar scheints mir umgekehrt.

Die Unmenge von Mißverständnissen in Ihrer Leseart ermöglichen es mir zudem leider nicht, alle diese Mißverständnisse richtigzustellen. Ich ersuche daher die Leser Ihres Kontrakommentars, angelegentlich meinen - wohlgemerkt subjektiven - Kommentar im Zusammenhang selbst zu lesen. (M)Eine Meinung werde ich doch noch haben dürfen, oder? (Freilich schließe ich nicht aus, daß ich in diesen Kommentar als Insider für Outsider zu viel hineingepackt habe, oder daß er gar versehentlich Mißverständnisse provoziert!)

Insbesondere verweise ich aber zumindest auf Kontextpassagen Zeile 5-12 und mein von Ihnen zwar lächerlich gemachtes, von mir aber sehr ernst gemeintes Post Skriptum, sowie auf zahlreiche durch Klammern markierte Doppelbedeutungen, auf Konjunktive, Fragezeichen, diverse Verweise usw.

Vieles von dem, was Sie hineininterpretieren, würde zutreffen, wenn ich diesen Kommentar vor 10 Jahren geschrieben hätte. Aber 1995 so zu tun, als begänne die von mir eingangs ausdrücklich als positiv bezeichnete Ära öffentlicher Förderung erst in Zeiten wie diesen, fällt mir schwer. Zu viel hat sich geändert, die Gießkanne ist keine Lösung. Im übrigen habe ich diesen Kommentar nicht als Literaturredakteur, sondern als Alfred Pittertschatscher verfertigt. Ich lege auf diese Unterscheidung immer großen Wert! Und ich bin nicht von einer allgemeinen Autorenschaft, sondern von 9 Einzelbeispielen ausgegangen. Man sollte Gegner dort suchen, wo sie sich auch tatsächlich aufhalten. Ich stehe Ihnen dafür allerdings nicht zur Verfügung!

Alfred Pittertschatscher


Sehr geehrter Herr Pittertschatscher,

die Idee zu meinem "Kontrakommentar" ist in erster Linie in der Diskussion mit oberösterreichischen Autoren entstanden, die, um es gelinde auszudrücken, über Ihren Beitrag stinksauer und wirklich angefressen waren. Im übrigen handelte es sich um Autoren, auf die von Ihnen angeführte Beispiele zutrafen. Insofern ist ihre Angst, in ihren Kommentar "als Insider für Outsider" zuviel hineingepackt zu haben unbegründet. Ihre Zwischentöne und der innere Kontext ihres Textes sind bei den Adressaten schon angekommen, das sei Ihnen versichert. Aber auch bei den wirklichen Gegnern der Kunst und der Kulturförderung, dessen können Sie ebenfalls sicher sein.

Als von Literatur Besessener müssten Sie wissen, daß man Texte auch so verfassen muß, daß die Leser erkennen können, was gemeint war, nicht im nachhinein lamentieren, doch eh ein Freund der Autoren zu sein.

Auf einmal, so klagen sie, sind Sie das Opfer einer verkürzten Zitierweise, eine ebenfalls gängige Praxis in gegenwärtigen Auseinandersetzungen. Aus Tätern werden Opfer.

Freundliche Grüße!

Matti Link

PS.: Die grundsätzlich gesellschaftliche Einstellung und Wertschätzung gegenüber literarisch Produzierenden kommt eben auch - und ganz wesentlich - in öffentlichen Förderungen zum Ausdruck. Eine Gesellschaft, die vorgibt die Barbarei überwunden zu haben, muß sich die Literatur einfach was kosten lassen. Ansonsten wird einem dumpfen, reaktionären Ökonomismus das Wort geredet.