DIE HILLINGER-QUASSEL-ECKE
Ein Kaffee(!)-Tratsch mit Thomas Meinecke
Von Didi Neidhart
Photo: Pohlmann
Als Thomas Meinecke (FSK/Zündfunk) im Jänner in der Kapu aus seinem, nun endlich im Sommer bei Suhrkamp erscheinenden Roman "The Church Of John F. Kennedy" las, gab es nicht nur für die Anwesenden einen erlesenen Genuß der fremden Art (der Süden Amerikas mit besonderer Berücksichtigung seiner extremen Ausformungen in Glaubensfragen), nein, auch dem Autor war es vergönnt, beim Würstelstand am Taubenmarkt fremden Genüssen zu huldigen. Angestachelt von einigen Hillingern, bestellte er dort, statt einer Käsekrainer eine "Kafka" (etwa eine Bosna mit Käsekrainer statt Bratwürstel), biß vorsichtig in selbige rein und gab daraufhin unseren fragenden Gesichtern ein vollmundiges "Mhm" zu verstehen. Man kann nun also sagen: Thomas Meinecke hat Kafka verschlungen (welcher ja auch etwas mit Amerika und fremder/eigener Sprache am Hut hatte).
Solchermaßen gut genährt und in Erwartung eines chinesischen Nummern-Menues, erzählte mir Thomas tags darauf einiges aus der "eigenen Geschichte" (schon wieder schauen Blumfeld um's Eck), die natürlich auch immer mit "der Geschichte" verwuselt ist.
Dem Reiz, den die produktiven Mißverständnisses zwischen den Kontinenten ausüben, sind ja mittlerweile auch Leute verfallen, die keine Die-Hard-FSK-Fans oder Spex-Dauerleser sind. Wie so Vieles bei FSK, wo immer wieder das Unerwartete mit dem Naheliegenden zusammentrifft (letztes Beispiel ein Song über die Münchner Polit-Hippie-Kommune Amon Düül), ist auch dies eine relativ simple Geschichte. Die NdW war tot, die Orientierungspunkte hießen wieder England/USA "und da haben wir mit den Jodlern und Polkas aus Amerika angefangen, nur raffinierterweise so getan, als wenn wir weiterhin NdW wären. Dabei sind wir auf diese transatlantischen Geschichten gestoßen."
HILLINGER: Du meinst solche Sachen, wie der Country-Yodeler Elton Britt, der in den 50s davon sang, daß das Jodeln in Tennessee erfunden wurde.
THOMAS: Genau. Es gibt ja nichts Schlimmeres als zu perpetuieren, daß der Jodel im Allgäu erfunden wurde. Was die meisten für genuin amerikanisch halten, ist nicht genuin, sondern ein Synonym dafür, daß es eigentlich keine Identität gibt. Es war immer gut wenn Amis englisches Zeug nachgespielt haben. Eine Stufe lower, weniger elaboriert und auf eine bestimmte Formel gebracht, die griffiger und weniger artifiziell ist. Bei FSK ist es ja auch immer zuerst ein ästhetisches Signal.
HILLINGER: Ihr versteht euch eher als Fans mit einem guten Riecher, denn als Intelligenzbestien, die zuerst Theorien im Schädel ausbrüten und dann nach der passenden Musik suchen. Was ja auch ein Ruf war, der Euch seit Diederichsens Satz von der "Band für die Deutsche Intelligenz" vorauseilte.
THOMAS: Genau. Und jetzt versucht man uns halt in diesen Neo-Folk-Topf zu werfen. Aber wir machen Pop. Auch wenn Gejodelt wird, ist es sozusagen ein Andy Warhol-Jodler. Jetzt sind wir automatisch wieder zur Flucht gezwungen. Als wir als Intelligenzler gehandelt wurden haben wir gesagt, laß uns bloß die Texte schön leise machen. Dann sind wir in den Boogie Woogie und zu Trinkliedern geflüchtet. Wir sind auch nicht so verkopft als daß wir rein vom Verstand ausgehen würden und sagen, jetzt müssten wir mal dieses oder jenes philosophisch-politische Problem in der Musik ausdrücken. Es ist eher umgekehrt. Wir sind immer nur ein Fähnchen im Wind. Das Fähnchen steht halt weiter vorne auf dem Bug, aber es ist auch nur ein Fähnchen.
HILLINGER: Platt gesagt ward Ihr damit aber immer auf der "Höhe der Zeit". Ihr habt Blues und Country zu einer Zeit gespielt, wo diese Stile für Punk/New Wave/Indie-Fans noch sowas waren, wie das Weihwasser für den Teufel. Wobei Ihr aber im Rückblick, sowohl musikalisch wie auf pop-diskursiven Ebene, auf dem richtigen Pferd gesessen seid.
THOMAS: Als die "Wiedervereinigung" kam und man vor allem, was nach Identität roch geflohen ist, wurde unsere Arbeitsweise auch wieder politisch. Da kam uns diese transatlantische Geschichte sehr gut zu Wege.
Um es gleich vorweg zu nehmen, bevor es sich in irgendwelchen Hirnen zusammenbraut: mit einem Zusammenwachsen von Sachen, die eh zusammengehören hat das nix zu tun.
Diskontinuität rules und so hört auch des Zündfunks "Neo-Country/Folk/Polka"-Chef-DJ privat am liebsten House. Und dreimal könnt ihr raten, welcher Radio-DJ mir erstmal über den Äther "Grunge" (damals, als Nirvana noch auf Sub Pop waren und Mudhoney die große Hoffnung waren) in die Ohren preßte. Dazu Thomas: "Als guter Radio-DJ sollte man das Zeug zum Klingen bringen und selber sprechen lassen, als Fan."
HILLINGER: Und wie sieht es mit dem Begriff "Diskursrock" aus?
THOMAS: Das muß schon sexy sein, wie die Goldenen Zitronen. Man macht eigentlich nur den Soundtrack zum Diskurs. Guter Diskurs-Rock wäre sozusagen nur der Soundtrack zu einem in einem anderen Zimmer ablaufenden Diskurs. Eine flankierende Maßnahmen sozusagen.