Auslaufrillen
Das Kommen & Gehen von Plattenläden in Linz hat wohl viele Gründe. Kein Geschäft konnte sich über einen längeren Zeitraum halten. Günter Schachinger, der seit 1976, vor allem als Wahn & Sinn-Betreiber, durchgehend stahlstädtischer Plattenverkäufer ist, bemerkt zu dieser Misere: »Es ist kein großes Geld mit Platten zu machen, man braucht viel Durchhaltevermögen. Linz hat nicht die Infrastruktur, es gibt kein Lokal, wo konsequent die eine Musik läuft. Die Schnelllebigkeit gewisser Musikstile ist auch ein Problem. In Linz gedeiht nichts – nur das Pflasterspektakel.« Dennoch gibt es immer wieder neue sich (vorwiegend) der Vinylkultur verschriebene Shops, die seit Jahrzehnten wichtige Treffpunkte und soziale Knotenpunkte in 4020 sind.
»Gute Plattengeschäfte mit Charakter. Schön, dass wir sie gekannt haben werden … Die Qualität der Tonträger-Umschlagplätze dieser Stadt stand schon immer in direktem Zusammenhang mit ihrer Lebensqualität … Mach’s dir selber oder besorg’s dir woanders.« (aus einem amüsanten Artikel von Rainer Krispel, Hillinger, Sommer 97)
Erinnerungen an Plattenläden sind bei mir neben dem Geruch von duftenden Vinylsträußen, die nur darauf warten gepflückt zu werden, vor allem einschneidende Funde für meine musikalische Sozialisation. In Linz wären das: Blue Monday 12’’ – Niedermeyer; Fugazi: erste EP – Wahn & Sinn; Public Enemy: It Takes a Nation… - Meki oder Drexciya/UR – Rave Up.
Vor 1979 gab es in Linz zig LP-Kaufläden. Die entscheidende Umprägung der Stadt, nicht nur für kommende Generationen von Musikschaffenden, wurde durch die Punkrevolution und Läden, die sich dieser »Underground«-Musik verbunden fühlten, ausgelöst. »Plattengeschäfte, die man bis dato aufsuchte, standen plötzlich vor einem großen Problem, sie hatten die Platten nicht, die sog. Indies hatten ihre eigenen Vertriebswege abseits der Plattenindustrie. Mit Anfang der 80er wurde es immer schwieriger mit dem Auffinden guter Platten.« (von: www.wahn-und-sinn.at) In 4020 war, bevor sich Familie Punk niederließ, überwiegend Jazzrock, Progressive Rock, Zappa... angesagt. Läden wie »Drogerie zum Schwarzen Panther«, der Portugal-Shop (verkaufte in der Volksfeststr. auch 2nd Hand), Breuer & Weineck (bürgerlicher, renommierter Laden mit Kabinenabhörstation und legendärem Kinospot: »Alles strömt zu B&W«), Heidegger (Musikgeschäft & LPs), Hannibal in der Bethlehemstr., Hartlauer, Passage-Kaufhaus oder Pirngruber, den es schon ewig gab, bestimmten damals das Stadtbild.
1979 öffnete im Innenhof an der Landstraße, neben dem Klosterhof, eine Nebenstelle vom bereits in Wien erfolgreich bestehenden Meki seine geheiligten Pforten. Anfangs fand man dort ein eher rock- & metallastiges Sortiment, das sich aber im legendären Meki, der bis 1989 bestand, bald ändern sollte: Neben HipHop, Hc gab es dort auch gängige Indielabels. Sozusagen alles, das damals in der Ö3-Musikbox lief.
1980 wurde in der Waltherstraße, wo sich heute das TÜ befindet, MOJO-Records eröffnet. »Als wichtiger Treffpunkt der ersten Linzer Punks und New Waver«, konnten dort »die Ramones in voller Lautstärke auch draußen vor dem Laden gehört werden«, so der damalige Mitarbeiter Kurt Holzinger. Er entdeckte ein Jahr zuvor MOJO in Wien und konnte den Betreiber davon überzeugen eine Filiale in Linz aufzusperren. Im dunklen Geschäft hing ein riesiges Poster von Willi Warma, der damals angesagtesten NewWavePunk-Band der Stadt. Durch Direkt-Importe waren jetzt erstmals die begehrten Platten der Punkbewegung in Linz erhältlich. Leider bestand das MOJO nur für 2 Jahre, wohl auch wegen der Expansionsgelüste des Geschäftsführers, der als reiner Geschäftsmann weniger mit Musik zu tun hatte. Bald gab es neben einem zweiten Laden in Linz (Saturn-Records) auch noch einen in Wels. »An diesen Expansionen ist MOJO letztlich zerbrochen. Auch wenn die Verkäufe gut waren, war es doch nur ein Minderheitenprogramm«, so Holzinger.
Der März 1982 sah dann die Eröffnung von Wahn & Sinn in der Adlergasse 8, das bis 1989 ein wichtiger Ort der Begegnung war. Es gab enge Verknüpfungen mit der STWST, viele gemeinsame Konzerte wurden über gute Kontakte des Shops eingefädelt. Anfangs betrieb Günter Schachinger das Geschäft mit Werner Ponesch, der jetzt als Posthof-Manager dahindümpelt. Es gab dort neben Comics und Nietengürteln alles Mögliche, das die 80er so brauchten. »Punks, New Waver, Mods & Geräuschspezialisten hatten ihren Plattenladen gefunden«, so Betreiber Schachinger, der auch heute noch mit W & S als »Nahversorger« qualitative Neuheiten aus allen Musikrichtungen von seiner Basis, einem »Atelier« in der Fabrikstr. 1c, anbietet. 1989 wurde W & S aus dem Haus in der Adlerstraße rausgeschmissen. Anfangs dachte Schachinger mit der Übersiedelung nur an eine Überbrückung, jedoch betreibt er seitdem von dort aus seinen Laden. Zumeist findet eine treue Stammkundschaft dort eine gemütliche Abhörmöglichkeit mit Fachgesprächen zur Lage der Musiknation. Einen großen Teil macht auch noch der Versand aus (seit 1984!), Ebay oder ein paar Kisten frisches Vinyl zu Veranstaltungen im Kino Ebensee oder Schl8hof Wels mitzunehmen.
Anfang der 90er gab es durch den Wegfall dieser Läden eine klaffende Lücke. Wer damals Vinyl wollte, hatte zwar einige Möglichkeiten, doch die Zeit der gut sortierten (Klein-)Läden schien in Linz vorüber zu sein. Elektrogroßhändler wie Cosmos et al, der überdimensionierte Hartlauer-Shop in Steyr, Virgin Megastore, diabolische Kommerz-Techno-Läden wie Eric F’s Danube Records-Schuppen in der Herrenstraße schienen die Überhand zu gewinnen. Die meisten Musiksuchenden fanden Trost in München- (Optimal) bzw. Wienausflügen (Rave Up, Why Not, 3345, Black Market …). Beziehungsweise musste man sich die Dinger bestellen oder mitnehmen lassen, was ja mit Internet einfacher wurde. Natürlich gab es auch gelegentlich bei Konzerten gut sortierte Plattenkisten, wie vom Konstantin von Trost, der heute in Wien seinen super sortierten Substance Shop schupft. Die Fliegenden Händler konnten aber keinesfalls einen Plattenladen vor Ort, mit all seinen Vorzügen, ersetzen.
In diese Lücke hinein entstand 1994 eine Filiale vom Wiener Rave Up. Für zwei Jahre bestand das Rave Up in der Mozartpassage, wo sich heute das Atrium-EKZ befindet. Dort konnte man aus verschiedensten Musikrichtungen, neu&alt (Drum&Bass, Electro, Indie, HipHop...), seine Discs finden. Das Geschäft scheiterte an einer zu hohen Miete und weil eben zu viele, neue Stile angeboten wurden, das Spezialistenprogramm war wohl zu viel für Linz. Außerdem 2 Many Bad DJs. Besitzer Shorty: »Das war ein Ausflug, den ich mir sparen hätte können.«
1999 eröffnete mit Con.Trust ein DJ-Laden, spezialisiert auf alle möglichen Sub-Genres der elektronischen Musik. Als Music.Art.Fashion-Geschäft wurde man zur Drehscheibe für die elektronische Musikszene in Linz. Letztes Jahr musste das an der Unteren Donaulände gelegene Con.Trust vorübergehend den Betrieb einstellen, aber in Bälde werden die Pforten wieder geöffnet und ein Neuanlauf gewagt. 2007 musste sogar die lange Zeit bestehende Fundgrube in der Altstadt zusperren. Ihr wein ich vor allem deswegen nach, da ich dort Kraftwerkens »Computerwelt« zum Dumpingpreis rausgezogen hab.
Seit November 2007 gibt es in der Herrenstraße mit Vinyl Corner ein Geschäft, das verschiedenste Musikrichtungen abdeckt. Vinyl Only! Der fachkundige Besitzer, der sich den Traum des eigenen Ladens erfüllte, findet die richtigen Worte: »Ein Plattengeschäft braucht Linz schon.« Neben Neuerscheinungen kann man dort Second Hand-Scheiben (ca. 80% des Sortiments, von Jazz zu Klassik zu Country) und Plattenspieler kaufen oder ein Bestellservice für LPs/Ersatzteile nutzen. Außerdem gibt’s in einem Ambiente, das das Vinylherz höher schlagen lässt (3 Abhörstationen!) eine Plattenreinigungsmaschine: für Euro 1,5/LP.
Aus dem Anspruch einer sinnvollen Nutzung eines leer stehenden Raumes im Haus der Kapuzinerstr. 36, wo bekanntlich der Kulturverein KAPU sein Unwesen treibt, entstand im Februar 08 die KAPUtique. Eine Boutique, die zum Großteil Tonträger von lokalen Plattenlabels und Bands präsentiert. Daneben gibt’s in diesem (vorerst) bei KAPU-Veranstaltungen geöffneten Laden auch Bücher, T-Shirts, Mode, Comics, etc. Man sieht sich als Plattform und Möglichkeit für kleinere, regionale Labels/Bands/KünstlerInnen, sich und das Geschaffene zu präsentieren und zu vernetzen. Klein, fein und ein Greislerladen, den es an vielen Ecken geben sollte!