Hoamatland, My Ass!

Wir haben geweint, als wir die oberösterreichischen Wahlergebnisse gesehen haben. Wie bei den Anschlägen auf Charlie Hebdo im Januar. Wahrscheinlich trocknet einen das ständige Wasserlassen zu den Verhältnissen bald einfach aus.

»Mythisch gewordene Bodenständigkeit erzeugt so nicht nur falsches Bewusstsein, sondern stärkt es durch Unterbewusstsein, durch den wirklich dunklen Strom.« Ernst Bloch

»Luther King and Mahatma Gadhi/went to the park to check on the team/but they was murdered by the other team/who went on to win 50-Nil«,
»The Magnificent Seven«
, The Clash

Janie, in Wien lebender Sänger und Texter der Fehlfarben sagt, dass er als Zugereister nicht über die hiesigen Verhältnisse schimpfen mag. Was kann ich als Weggereister also groß nach Oberösterreich, nach Linz, »in die alte Heimat« texten? Jetzt, wo die braune Kacke in ihrem ewigen Schwarz-Blauen Wi(e)dergängertum in Oberösterreich politische Struktur mit Definitionsmacht errungen hat? Jetzt, wo »wir« in Wien noch einmal, schon wieder, mit einem »blauen« Auge davon gekommen sind und ich trotzdem froh bin um die zwei fetten Bände »Nationalsozialismus in Linz« (publiziert vom Archiv der Stadt Linz)? Ein im Wortsinn aufklärerisches Geschenk der Frau. Unerträgliche, wichtige Hardcore-Lektüre, gerade jetzt. Aus der richtigen Fallhöhe prächtige Notwehrgegenstände, auf einen Skinhead-Schädel oder einen Identitären-Blutzer oder auf eine_n der Vielen mit rassistischer »Meinung«, die ja nur »Angst« haben. Wäre die Frau nicht recht kurzfristig ins Ausland gereist – auch um zu checken, wo mensch hin könnte, wenn es noch mehr zu viel wird, als es das schon ist – hätten wir »Hoamatland«, die oberösterreichische Landeshymne dekonstruiert. Der Text als das Trauerspiel interpretiert, der er ist. Ein letzter (?) bedauernder, solidarischer Gruß an die Freund_innen in OÖ. Weil oben das unsägliche »H«-Wort verwendet wurde – um die geht es nämlich, die Menschen in dem als Oberösterreich definierten Gebiet, die an dem vielleicht zunehmend abhanden gekommenen gemeinsamen Projekt gerechte (oder wenigstens nicht komplett geschissene, mörderische, grausame, absurde) Welt schrauben. Die Menschen, die das nicht wollen, was gerade so gnadenlos abgeht, das skrupellose Hochziehen (denk‘ ich an Paris im November, bin ich schon wieder um den Schlaf gebracht) der kapitalistischen Festung Europa. »Wia a Kinderl sei Muader, a Hünderl sein Herrn« – und immer schön abhängig sein und bleiben, Machtverhältnisse kann mensch singen, Augenhöhe und Gleichheit bleiben auf immer utopische Forderungen und nicht die Grundlagen, als die »wir« sie immer verstanden haben. Lese ich Camus oder Orwell, lege ich ihre Gedanken, ihre Haltungen (auch abstrahiert) als Folien über die kleine und große Welt, kann ich selbst aus ihrer Klarheit und Unerschrockenheit keine Kraft mehr ziehen, zu Adorno zu greifen fehlt mir schon der Mut. Ich werde wohl auf die Straße gehen und mir eine Einheits-Gratiszeitung holen.

Ich weiß nicht, ob ich es geträumt habe, aber hat nicht dieser Tag ein ungenannt bleibender Freund einer verdienten oberösterreichischen Kultureinrichtung gesagt, dass er jene verlassen muss, weil er nicht für einen faschistischen Bürgermeister arbeiten wird? Kann ich mich wirklich daran erinnern, dass ein »General Manager« (sic!) eines heimischen Unterhaltungskonzerns, Abteilung Musik, vor vielen Jahren sinngemäß gesagt hat, dass er, um den Standort Österreich halten zu können, gemäß in Ex-Jugoslawien gewonnenen Erkenntnissen auf regionales, nationales »Produkt« setzen wird, setzen muss? Auftritt Andreas Gabalier, der heute definitionsmächtige – gegen »Erfolg« hilft kein geistiges Kraut! – »Mountain Man«, der sich Geschlechterrollen und Hymnen (das Rechte rechts überholen) biegt, wie es dem Verkaufserfolg gut tut. Einer späteren Polit-Karriere steht nichts im Wege, Ronald Reagan wird ein Schaas dagegen gewesen sein werden. Wobei, hold the horses!, zum Glück ist es ja nur Österreich. War ich wirklich diesen Sommer 2015 – ein schöner Sommer eigentlich, oder? – fassungslos am Beifahrersitz im Auto meiner Mutter in der Gegend um den Attersee, angesichts der Wahlplakate, die sich von Links bis Rechts darin überboten, Tracht und Bodenständigkeit zu zeigen und in der idyllischen Natur, deren spezielle Schönheit betont werden musste, aufzugehen (bloß nicht als mehr als ein Platzhalter erscheinen!)? Die Deckungsungleichheit der Pose – der kleine Mensch, der kleine, hiesige Mensch! – zu turbokapitalistischer Survival-Of-The-Unserst-Realpolitik bei den Effen ist nur eine Propagandalüge? Hat mir wirklich erst unlängst ein Freund erzählt, dass er im Hause meines Großonkels Ferdinand Brunnbauer, schwer belasteter Nationalsozialist mit veritabler ÖVP-Karriere (www.ferdinandbrunnbauer.at) in Anwesenheit von Hans Achatz und anderen Ehrenmenschen einem Hitlerbild vorgeführt wurde? Oder ist der Fiebertraum nicht mehr eindeutig vom Alptraum Wirklichkeit zu unterscheiden? Haben nicht die Pop-Wunderkinder Bilderbuch (hey, Landeskulturpolitik, die kommen ursprünglich aus Oberösterreich!) noch auf ihrem ersten Album von einer Jugend, die verfliegt wie »Rauch aus einem Schornstein« gesungen? Ist die Zeitung, die »euer« Bundesland im Namen trägt nicht schon seit immer ein Hort der Biederkeit, ein medialer Liebesdienst an der rechten Macht, die das nicht einmal mehr verbirgt? Sie lesen, mir purzeln die Symptome durcheinander, aber so apokalyptisch, babylonisch und hoffnungslos wie derzeit war mein Lebensgefühl nicht einmal als junger No Future-Punk im Elektro-Schmid. Nicht einmal ein verschüchtertes »eine Vermögenssteuer wäre die bessere Idee gewesen!« mag mehr über meine Lippen. Mir wird schlecht, wenn ich darüber nachdenke, was wie warum in Wien, in Oberösterreich, im Land mit dem A, in Europa … gerade geschieht. Geldpumpende Herzen der Finsternis. Die Frau hat vor nicht allzu langer Zeit gefragt, ob es nicht eine gute Idee wäre, wenn die Buben Schießen lernen. Noch denke ich, dass es eine rein rhetorische Frage war. On second thought:
Die Waffenkäufe haben in Österreich haben stark zugenommen und unlängst hat mir auch wer im Nachtleben erzählt - »Schrottflinten kriagst kane mehr im ganzen Land...«

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