Editorial
Vom Bürofenster aus können wir sehen wie bereits die ersten Betonplatten auf dem Dach des neuen Ars Electronica Centers verlegt werden, hier könnte etwas Neuartiges entstehen, siehe den Artikel »Schnapp dir den Südbalkon« von Christoph Schäfer in der Versorgerin #77. Doch nach ersten Gesprächen mit den Stadtoberen ist zu befürchten, dass auch hier zumindest einmal im Jahr einmal mehr die Interessen der Kronenzeitung Platz nehmen werden. Wird Linz dadurch interessanter? Interessant, interessanter, am interessantesten. Die interessanteste Stadt Österreichs. Der Interessantismus Seiner Intendanz – I could not care less.
Anders vielleicht Andreas Kump auf Seite 4 dieser Versorgerin, der anhand der Thesen des Ökonomen Richard Florida zum Thema Kreativwirtschaft in Linz recherchiert hat. Wenn’s der Kreativwirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut? Schon eine Seite vorher entlarvt Gerald Raunig »creative classes« und »creative industries« als Propagandawerkzeuge und fordert dazu auf, sich dem »kreativen Imperativ« zu widersetzen. »Seid kreativ!« war dann auch das Thema für die italienische Künstlerin Stefania Pedretti – sie performte im Vorjahr beim ETC in der Stadtwerkstatt – für das Cover-Artwork dieser Ausgabe. Weitere Arbeiten von Stefania sind auf den beiden »Kreativwirtschaftsseiten« zu sehen und auch hier: http://www.signorinaalos.com.
Die Kreativität der Roma ist anscheinend nur als »Gypsy Music« wirklich geschätzt. Ansonsten werden sie kriminalisiert, verfolgt, vom Mob gejagt, weggesperrt, abgeschoben. Die Schriftstellerin Simone Schönett schreibt auf Seite 5 über die Situation der Roma und Sinti im »europäischen Jahr des interkultuellen Dialogs« und der Historiker an der FU Berlin Wolfgang Wippermann stellt die Frage »Was ist Antiziganismus?« auf Seite 6.
Zwei Texte auf den Seiten 9 – 11 widmen sich der Überwachungsgesellschaft. Chris Eder schreibt über unerwartete Nebeneffekte totaler Überwachung und Anna Masoner über Biometrie.
Die Linksaktivistin und Schriftstellerin Jutta Ditfurth wird am 10. September in der Stadtwerkstatt aus ihrer Ulrike Meinhof-Biographie vortragen, Franz Fends Rezension dieses Buchs findet sich auf Seite 7. Wer lieber fernsieht als liest, und das durchaus auf dem Niveau eines Romans von Dickens oder Dostojewski, ist mit der allerbesten Serie aller Zeiten bestens bedient. Didi Neidhart feiert den Release von »Sopranos. Die ultimative Mafiabox« auf Seite 8. Bekennender Fan der »Sopranos« ist Erwin Riess. Teil III seiner konkret-Story ist auf Seite 14 zu lesen. Und auch Tanja Brandmayr liebt die Sopranos: Sie war zu Besuch beim »Kartell« aka »Offenes Forum Freie Szene« (Seite 13).
May you not live in interesting times!
k.