It‘s Not A Test
Franz Xaver: Hallo Elisabeth! Wir haben heuer mit unserem Residency-Programm im August auf unserem Schiff im Winterhafen Linz und im September beim STWST48x2-Event in der Stadtwerkstatt einen Schwerpunkt auf Radio und Kunst. Unser Titel ist »Radio Active«. Radio und Kunst ist ja auch ein langjähriges Thema bei eurer Sendung Kunstradio – Radiokunst, sonntags um 23.00 in Ö1. In meinem Verständnis geht es darum, nicht nur die Töne oder den Sound als Kunst zu verstehen, sondern das ganze physikalische System. Also die gesamten Sendeeinrichtungen und die elektromagnetischen Wellen sind Teil des Kunst-werkes. Vielleicht könntest du kurz erklären, wie lange es eure Sendung schon gibt und welche Intention dahinter steht.
Elisabeth Zimmermann: Super, dass ihr einen Schwerpunkt auf Radio und Kunst legt. »Radio Active« ist ein schöner Titel. Kunst und Radio, sowie dessen Erweiterung ist in der Ö1-Sendung Kunstradio – Radiokunst, die 1987 von der Journalistin, Kunstkritikerin und Kuratorin Heidi Grundmann gegründet wurde, immer Thema. Kunstradio ist ein »Radio by Artists«. Und dein Gesamtverständnis der Radiokunst finde ich sehr spannend...
Das Kunstradio hat seine Ursprünge in der bildenden Kunst und in der Telekommuni-kationskunst. Das liegt auch daran, dass ein wichtiger Wegbegleiter der ursprünglich aus Kanada stammende Künstler Robert Adrian (1935 - 2015) war, der als einer der Pioniere der Telekommunikationskunst gilt. Robert Adrian hat zum Beispiel gemeinsam mit der Künstlergruppe Blix (gemeinsam mit Helmut Mark und Zelko Wiener) das Projekt Kunstfunk 1984 im Rahmen der Wiener Festwochen in Zusammenarbeit mit der Secession Wien realisiert (http://alien.mur.at/rax/BIO/telecom.html). Der Titel des Projektes hat zum Titel Kunstradio geführt.
Kunstradio – Radiokunst sendet jeden Sonntag um 23:03 auf Ö1 bis Mitternacht, manchmal live, manchmal in 5.1 Surround Sound via TV Satellit, manchmal im ORF Funkhaus produziert, manchmal in den Studios der Künstler und Künstlerinnen. Wir berichten nicht über Kunst und Veranstaltungen, sondern stellen den Radioraum des Ö1 Kunstradios Künstlern und Künstlerinnen aus aller Welt und allen möglichen Kunstrichtungen als Ort zur Verfügung. Immer mit der Bitte, sich mit dem Radio, seinen Veränderungen, seinen Erweiterungen, seinen Möglichkeiten und Grenzen künstlerisch auseinanderzusetzen. Die Grundintention ist schon immer auch noch, die Infrastruktur der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt für die Kunst, die Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung stellen und zugänglich zu halten.
Franz Xaver: Historisches ist da schon sehr wichtig. Auch für unser Projekt »Radio Active«. Für mich ist es manchmal unerheblich, wer das erste mal Dinge umsetzte, im Endeffekt zählt die Summe der Ereignisse, die in Folge historische Spuren hinterlassen. Natürlich gibt es dadurch auch öfters mehrere Geschichtsschreibungen. Dies finde ich auch wichtig. Die Quersumme der Ereignisse schafft »Wahrheiten« für die Nachwelt. Die Stadtwerkstatt oder Van-Gogh-TV / PONTON waren in den 80er Jahren im Bereich der Fernsehfrequenzen sehr aktiv. In dieser Zeit spielte die Situation, dass man über elektromagnetische Wellen Dinge gleichzeitig an mehreren Orten verknüpfen kann, eine immer größere Rolle. Damals entstand der Gedanke einer vernetzten Kunst. Das Internet folgte erst später diesem Gedanken. Und ja, diese Events waren teilweise auch als Skulpturen im bildnerischen und performativen Bereich zu begreifen. Es war aber nicht nur der Fernsehbereich, der in der Medienkunst verwendet wurde. Es waren auch Musik-, Noise- oder Stille-Events, die den Begriff geprägt haben. Unter anderem waren es auch Radio subcom und Kunstradio – Radiokunst, die immer wieder neue Perspektiven und Ansätze brachten. Ich kann mich da an den Verein TRANSIT erinnern, der meines Wissens nach in Folge die Entwicklung der Medienstadt Linz beeinflusste. Linz ist ja seit vorigem Jahr UNESCO CITY OF MEDIA ART...
Elisabeth Zimmermann: Ja, da gab es einige interessante Projekte wie eben Radio Subcom und auch den Verein TRANSIT. Er war in Innsbruck ansässig und war ein Verein ohne Haus und realisierte künstlerische Projekte an von den KünstlerInnen ausgewählten Orten, in Kunsträumen, im öffentlichen Raum und vor allem im immateriellen Raum der Telekommuni-kationsmedien. Auch auf die Theorie legte TRANSIT großen Wert, es gab Kunstge-spräche, Vorträge, Symposien und Publikationen. Und ganz spannend finde ich, dass versucht wurde, eine theoretische Begleitung durch Kunsthistori-kerInnen der Kunstprojekte zu machen. TRANSIT hatte eine Finanzierungsstruktur, die auf drei Säulen basierte: Fördermittel vom Land Tirol, dem Bund – und das ORF Landesstudio Tirol hat mit Know-How und Technikerstunden, sowie Studiozeiten die Projekte unterstützt.
Hier finden sich einige Informationen zu TRANSIT: http://transit.tiroler-landesmuseum.at/index.html
TRANSIT war immer wieder Plattform und organisierte vernetzte Projekte – vor dem Internet z.B. Chipradio, 1992 und Realtime, 1993, das nicht nur live in drei ORF Landesstudios und im Radio stattfand, sondern auch 30 Minuten lang live auf ORF 2 zu erleben war! Und der Verein war gemeinsam mit dem Ö1 Kunstradio und der EBU Ars Acustica Gruppe einer der Initiatoren des weltweit vernetzten 24-Stunden Radiokunst-Projektes Horizontal Radio, 1995, für das auch schon Real Audioserver und Internet-Datenbanken etc. verwendet wurden... Es bezog sich auf das Projekt »Die Welt in 24 Stunden« (http://alien.mur.at/rax/24_HOURS/24-catalog-d.html) von Robert Adrian aus dem Jahr 1982 und fand ebenfalls beim Ars Electronica Festival statt. Auf Horizontal Radio folgten dann noch einige große vernetzte Projekte wie z.B. 1996 Rivers&Bridges, oder 1997 Station to Station. Später in den 90er Jahren wandelten sich diese Projekte mit der Entwicklung der technologischen Möglichkeiten des Internets mehr zu vernetzten Installationen, die potentiell ewig dauern konnten. Siehe auch http://kunstradio.at/PROJECTS/projects1.html
Franz Xaver: Jetzt, 20 Jahre danach, stellt sich für mich die Frage, warum so wenig Spuren von damals vorhanden sind. Nach einigem Nachdenken haben sich für mich verschiedene Faktoren herauskristallisiert. Ein Faktor war sicher, dass nach der digitalen Revolution die Archivierung des Geschehens im Netz und nicht mehr in den Regalen der Künstlerateliers passierte. Damals hat die analoge Technologie der elektromagnetischen Wellen den Raum für die Kunst erobert und ein Bedürfnis geweckt. Heute nach 20 Jahren beschäftigen wir uns in unserem STWST48x2 Programm, kuratiert von Shu Lea Cheang und mir, mit SDR (Software Defined Radio), bei dem Radiosender und Radioempfänger mit der Informationstechnologie simuliert werden. Für mich eine tolle Sache, bringt an und für sich aber keine wesentlichen Neuerungen und Erkenntnisse für den Kunstkontext. Es ist aber weiterhin notwendig, SDR im Kontext der analogen Historie von Kunst und Radio zu sehen. 1992, vor 24 Jahren, wurde das Symposium »Fernsehen der 3. Art« in Wien durchgeführt. Es wurde eine Forderung für freie Frequenzen und offene Kanäle niedergeschrieben. Das hat unter anderem auch zur Entwicklung der Freien Radios in Österreich beigetragen. http://www.vergessen.com/hilus/content/projekte/92_open_circuit_1/infobroschuere/freiefrequenzen.pdf
Seit damals sind einige offene Radio- und Fernsehkanäle entstanden. Eine eigene Frequenz für die Kunst haben wir bisher noch nicht geschafft, deswegen versuchen wir nun, mit unserem Projekt »7067kHz - It‘s not a test« mit SSTV und WSPRnet ein weltweites Netz für Kunst und Kultur zu schaffen. Siehe http://7067.stwst.at. Ich bitte dich nun um ein Schlusswort.
Elisabeth Zimmermann: Eine eigene Frequenz für die Kunst ist nötig, damit sie nicht in den Nischen und Randzonen versteckt bzw. in diese abgedrängt wird. Ich denke, dass ein solches Netzwerk wichtig ist, um Kunstprojekten und anderen Ansätzen mehr Raum zu geben, als es im bestehenden Angebot, sowohl der öffentlich-rechtlichen europäischen Rundfunkanstalten und natürlich auch bei den sogenannten freien Radios weltweit möglich ist. Es gibt bereits Plattformen zum Austausch von Radiokunst – eine wichtige ist sicher das internationale Netzwerk Radia (radia.fm), das wöchentlich eine neue Radioarbeit zum Austausch und zum Senden zur Verfügung stellt. Immer wieder gibt es ja auch sogenannte Eventfrequenzen, die der Kunst gewidmet sind, die aber im Normalfall zeitlichen Beschränkungen unterliegen. Diesen Oktober wird es beim Radio Revolten Festival (radiorevolten.net) in Halle/Saale eine eigene Frequenz für die Radiokunst geben. Im Zuge der Vorbereitungen wurde lange diskutiert, wie Künstler und Künstlerinnen sich die mehr und mehr verwaisten Kurzwellen und Mittelwellenfrequenzen zu Eigen machen können. Außerdem wird häufig über das Thema der Nutzung von und freien Zugänglichkeit zu FM-Frequenzen diskutiert, die ja zum Daten-transfer verwendet werden und dadurch kommerziell interessant sind. Jedenfalls ist es ein wichtiges Anliegen, endlich für die Kunst eine eigene Frequenz und auf Dauer zu bewerkstelligen!
Vor den Freien Radios, 1990er-Jahre: Die Forderung freie frequenzen offene kanäle
7067kHz - It‘s not a test!