Nachspiel zum 1.Mai
Mehrere Monate ist es jetzt schon her, dass die Linzer Polizei zum ersten Mal seit NS-Zeiten eine 1.Mai-Demonstration verhinderte, während gleichzeitig in Linz die rechtsextreme NVP (informell) aufmarschierte sowie Strache seine jährliche Bierzelt-Hetzrede abhielt.
Erst kesselten die Beamten mehr als 50 sich stets friedlich verhaltende antifaschistische DemonstrantInnen zwei Stunden unter dem fadenscheinigen Grund der Vermummung (Sonnenbrillen, Kapuzen) ein, um dann den Kessel außergewöhnlich brutal mittels Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz aufzulösen. Gruppeninspektor Fleischhacker (Name vom Autor geändert), Mitglied der Polizeieinheit LENTOS, verpasste mir dabei mit seiner entschlossenen Schlagstockattacke einige, teils schwere Hämatome. Auch etliche herumstehende solidarische DemonstrantInnen und PassantInnen wurden attackiert und verletzt. Ich wurde gemeinsam mit anderen verhaftet und verbrachte über sechs Stunden in Polizeigewahrsam, wo man mir Fingerabdrücke und DNA abnahm und ich zeitweise auch in eine Einzelzelle gesteckt wurde. Als einer von fünf wurde ich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt.
Unmittelbar nach den Ereignissen bildete sich spontan eine Solidaritätsbewegung, wie sie in Linz selten zu erleben war. Empörte KritikerInnen des Einsatzes rückten zusammen und machten gemeinsam mobil, worauf u.a. am 8.Mai eine Soli-Demo mit ca. 750 Leuten folgte. Zusätzlich entstand umgehend ein breites »Bündnis gegen Polizeigewalt und für Demonstrationsfreiheit«, dem auch zahlreiche namhafte Sozial- und Kulturinitiativen angehören. Die Volkspartei hingegen stellte sich nicht nur sofort hinter die Polizei, sondern brachte in Person der Chefin ihres Gemeinderatsklubs, Elisabeth Manhal mit der Forderung, bis zur Aufklärung der Vorfälle keine Subventionen mehr an die dem Bündnis angehörigen Organisationen und Vereine auszubezahlen, ihren ganz besonders fragwürdigen Beitrag zur hiesigen politischen Kultur. Aber auch Landessicherheitsdirektor Lißl ließ seiner Kreativität freien Lauf und erklärte per Medien, der von Fleischhacker geschlagene Demonstrant, in diesem Fall ich, hätte die Beamten zuvor selbst mit einem Schlagstock attackiert und dies, obwohl darüber nicht einmal in den bereits phantasievoll geschriebenen Polizeiberichten etwas zu finden ist.
Mitte Juni fand unter Anwesenheit zahlreicher SympathisantInnen meine Verhandlung statt. Basis der Anklage war ein Aktenvermerk, in welchem mir vorgeworfen wurde, mich mittels Schlägen und Tritten der Amtshandlung widersetzt und andauernde Gegenwehr geleistet zu haben.
Mein Trumpf war das Polizeivideo selbst, welches jedoch seitens der Exekutive nicht wie üblicherweise an den Staatsanwalt weitergeleitet worden war, sondern vom Verteidiger erst zwei Tage vor dem Prozess über Umwege aufgetrieben werden konnte.
Der erste als Zeuge geladene Polizist behauptete vor dem Richter felsenfest, dass ich seine Kollegen attackiert hätte. Als ihm anschließend das Video vorgeführt wurde, auf dem davon nichts zu sehen war, meinte er dennoch trotzig: »Aus unserer Sicht war es so.« Aus der Sicht der anderen Beamten dann anscheinend doch nicht mehr, denn die hüteten sich angesichts des Videos und der richterlichen Belehrung über etwaige strafrechtliche Folgen einer Falschaussage schließlich doch davor, dies ebenfalls dezidiert zu behaupten. Stattdessen gaben sie an, die Situation selbst eigentlich nicht so wahrgenommen zu haben, mit der Menge beschäftigt gewesen zu sein oder sich auf andere konzentiert zu haben. Dies obwohl ich laut Polizeiprotokoll ja ihre Zielperson war, nachdem sie mich zuvor (unsinnigerweise) als Rädelsführer bestimmt hatten. Sogar der »absichernde Beamte«, Herr Fleischhacker, der mehr als zehn mal mit seinem Schlagstock auf mich eingedroschen hatte, gab an, mich »nur im Augenwinkel wahrgenommen« zu haben. Als der Richter nachbohrte, wieso er denn nicht auf die Idee gekommen sei, mich statt mittels Schlagstockeinsatz bloß durch eigene Körpergewalt von den anderen zu trennen, meinte Fleischhacker allen Ernstes: »Das wäre in dieser Situation nicht möglich gewesen bzw. hätte schwerwiegendere Folgen gehabt, denn da gäbe es nur Ellbogenstöße ins Gesicht.«
Nachdem auch Aussagen der anderen Beamten dem Video nicht stand hielten, schien die Situation für die Beamten zunehmend ungemütlicher zu werden. Richtig peinlich wurde dann aber die Sache mit dem von sechs Polizisten unterschriebenen Aktenvermerk, auf dem die ganze Anklage ja basierte und welcher sich im Laufe der Verhandlung ganz klar als unrichtig herausstellte. Auf die Frage, wieso sie denn den Vermerk unterschrieben hätten, obwohl sie die darin getätigten Aussagen gar nicht bestätigen könnten (nicht einmal der Verfasser des Vermerks konnte das!), kamen dann Antworten wie, sie hätten den Vermerk nicht genau studiert, sie wären mit einer anderen Angelegenheit befasst gewesen oder sie hätten ihn einfach gar nicht durchgelesen. Zitat eines Beamten: »Der Aktenvermerk wurde von einem Mitglied unserer Gruppe geschrieben, ich habe ihn sicher überflogen, aber wahrscheinlich nicht genau durchgelesen. Ich habe mitbekommen, dass mein Name vorkommt, deswegen hab ich unterschrieben.«
Der Richter entschloss sich schließlich, dank der Aussagekraft des Videos und der verheerenden Performance der Exekutive, mich »im Zweifel« freizusprechen. Auf Ermittlungen gegen die Polizisten wegen falscher Zeugenaussage wurde seitens der Staatsanwaltschaft jedoch leider verzichtet.
Auch wenn die Polizei im ersten Anlauf keinen Schuldspruch erreichte, sondern vielmehr ihre eigenen Abgründe offenbarte, wollte die ÖVP doch nicht lockerlassen. So versuchte sie mittels einer Postwurfsendungen an zahlreiche Haushalte mit der Überschrift »Linz schockiert!« und einer Verurteilung der Attacken gegen die Polizei samt der Diffamierung der Demo-TeilnehmerInnen als »linke Chaoten« und »Krawallmacher« neuerlich politisches Kapital für die baldigen Wahlen zu schlagen. Besonders empörte dabei das über dem Text abgedruckte Bild von vermummten DemonstrantInnen einer deutschen Demo. Die ÖVP Linz sprach hierbei jedoch von einer »zulässigen Illustration«, aus der jeder seine Schlüsse ziehen könne und dass jegliche Eindrücke subjektiv gesteuert seien.
Der Fall scheint seine Kreise zu ziehen, so liegt der Fall des Kunstuni-Vizerektors mittlerweile im Justizministerium, läuft eine parlamentarische Anfrage – und auch die Volksanwaltschaft beschäftigt sich bereits mit der Causa. Außerdem langten einige Maßnahmenbeschwerden gegen das Verhalten der Polizei beim UVS ein und angeblich beschäftigt sich das Büro für innere Angelegenheiten mit den Vorfällen.
Am 28. Juli fanden schließlich die zwei nächsten Prozesse statt, wieder wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und wieder begleitet von vielen Solidaritätsbekundungen und großem Medieninteresse. Beide wurden vorerst vertagt. Am 19. August folgte schließlich das Urteil in einem der Fälle: Der 18-jährige Angeklagte wurde zwar in einem Punkt freigesprochen, Polizisten attackiert zu haben, wurde jedoch aufgrund der Aussage zweier Beamter in einem anderen Punkt dessen für schuldig befunden. Dies obwohl wieder ein Video vorhanden war, das keinerlei strafbare Handlungen zeigte und der Beschuldigte in den besagten 1,5 Sekunden, in denen er die Polizisten attackiert haben soll, sogar in die entgegengesetzte Richtung schaute. Demgegenüber begründete das Gericht sein Urteil mit dem fragwürdigen Argument, dass der Angeklagte wohl nicht grundlos aus der Menge herausgezogen worden sei und in den Aussagen der Beamten keine verleumderischen Absichten zu erkennen waren. Gegen das Urteil, 360 Euro bedingt plus Gerichtskosten, wurde volle Berufung eingelegt. Der nächste Verhandlungstermin im anderen vertagten Prozess ist der 17. September, zehn Tage vor den Wahlen. Man darf gespannt sein.
Hansi E. ist Soziologiestudent, prekär Beschäftigter und Mitglied des ASOÖ/FAS.
Die Zitate stammen aus dem Verhandlungsprotokoll.