servus@servus.at
2015 ist wie im Flug vergangen und auch wenn es vielleicht viele gar nicht bemerkt haben, gab es doch einiges an Veränderungen. Gottfried Gaisbauer ist seit Oktober 2015 bei uns aktiv. Mit seinem Informatikhintergrund und seiner politischen Grundhaltung im Kontext von digitalen Medien passt er super in unser Team. Der Einstieg in unsere Arbeit war für ihn gleich mit einem Sprung ins kalte Wasser verbunden. Die ersten gröberen Ausfälle und im Dezember unsere Klimaanlage, die ihren Geist vor den Feiertagen aufgeben hatte, sorgten für die ersten Rund- um-die-Uhr-Einsätze und für angespannte Nervosität im Rest unseres überschaubaren Teams. Gerade in solchen Situationen wird wieder einmal klar, wie fragil die Existenz unseres Datenzentrums eigentlich ist und wie schnell eine simple Überhitzung im Serverraum zum »Tod« von Festplatten führt. Erst am 29. Dezember konnte der entsprechende Kompressor für das Außengerät der Klimaanlage eingebaut werden, der unerwartete Kosten verursachte. Die alte und inkompatible Verrohrung in der Hausmauer, die Innen und Außen verbindet, hat uns unschön daran erinnert, dass hier demnächst gröberer Handlungsbedarf und Investitionen anstehen, um »alte Bausünden« endlich zu beheben.
Für den programmatischen und inhaltlichen Teil unseres Vereins haben wir für das vergangene Jahr, wie schon berichtet, Linda Kronman und Andreas Zingerle eingeladen. Es war der erste Versuch, lokale Künstler_innen, mit einem Forschungsthema einzuladen und ein entsprechendes Budget für ein prozesshaftes Programm zur Verfügung zu stellen.
Die Beschäftigung mit dem Thema »Behind the Smart World«, das im Prinzip auf eine bestehende Arbeit der Künstler_innen aufbaut, konnte 2015 im ersten Research Lab vertieft werden. Ein Ergebnis dieses Prozesses, das vorerst gar nicht geplant war, ist eine erste Publikation zum Thema, über die wir uns freuen. Die intensive Beschäftigung mit 22 mitgebrachten Festplatten von der größten E-Waste Müllhalde in Ghana war der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Fragestellungen für Linda und Andreas. In diesem Prozess haben sich das Sichern, Löschen und Wiederbeleben von Daten und Information als Phänomene unserer Infosphäre herauskristallisiert. Dieser Versuch einer Ordnung wird von der Publikation aufgenommen und Wissenschafter_innen, Aktivist_innen und Künstler_innen wurden eingeladen ihre Positionen und Überlegungen mit uns zu teilen.
http://research.radical-openness.org
In der geplanten Ausstellung im Kunstraum Goethestrasse xtd im Rahmen des AMRO Festivals im Mai 2016 sollen künstlerische Positionen zum Thema gezeigt werden und durch weitere Arbeiten über unseren Open Call ergänzt werden können. An dieser Stelle bietet sich an, Euch herzlich zur Beteiligung am Festival im Mai einzuladen. (siehe Open Call)
Die Idee lokale Künstler_innen einzuladen, um mit uns und innerhalb unserer Möglichkeiten über ein Jahr zu einem gemeinsamen Thema zu arbeiten, wollen wir gerne weiterverfolgen. Dieses Vorhaben hängt allerdings von einigen Faktoren ab, unter anderem von der Stadt selbst und ihren »medienkünstlerischen« Potentialen, die sie so oft propagiert, sich aber deutlich von unserer Wahrnehmung oder von unserem Verständnis unterscheiden. Es mag daran liegen, dass ein kritisch-reflexiver Umgang mit digitalen Medien im Kontext von Kunst, der für uns ein Verständnis von Alternativen (free/libre Open Source Software, Open Hardware) voraussetzt, und ein spannender Diskurs weder in der Stadt noch auf der Linzer Kunstuniversität besonders gefördert wird. So lässt sich vielleicht erklären, dass sich auch die künstlerischen Potentiale in diesem Sinne in Linz in Grenzen halten. Diesen Anspruch scheint Linz als »City of Media Arts« mit »Wir sind so UNESCO« aber ohnehin nicht zu beabsichtigen?
»Linz ermöglicht als Zentrum der Medienkunst Perspektiven und Innovationen in Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. UNESCO City of Media Arts zu sein, bietet Chancen, Milieus zu schaffen, die Linz als kreative Stadt national und international in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft attraktiv machen. Durch die Einbindung ins Netzwerk der UNESCO Creative Cities verspricht sich Linz neue Impulse für die Entwicklung und die Positionierung der Stadt als kreativwirtschaftliches Zentrum.«1
Es geht also um Linz als »kreativwirtschaftliches Zentrum«, was unmittelbar und ganz offen das Anliegen einer Verwertbarkeit transportiert und Innovation als Motor hat. Grundsätzlich auch nicht weiter verwerflich, weil hier ja noch nicht erklärt wird, wie Linz Innovation verstehen will und welche Form von Verwertungen angestrebt werden. Es könnten ja auch soziale Innovationen gemeint sein, oder Innovationen in der Bildung angestrebt werden – hier gäbe es auch ja wirklich Handlungsbedarf. Da haben wir noch viel vor, wie es scheint. Vor allem die Klärung der in dem Zusammenhang verwendeten Begrifflichkeiten und die dahinterstehenden Absichten gilt es wohl erst zu dekonstruieren. Von einem Verständnis, dass »Medienkunst« als Motor für technologische und gesellschaftliche Innovation herhalten muss, möchte ich mich so lange distanzieren, bis ich darüber im Klaren bin, von welchen Innovationen hier die Rede ist.
Jedenfalls kann Linz aus meiner Erfahrung die Besonderheit aufweisen, dass gute Künstler_innen die Stadt wieder verlassen. War man erst mal eine Zeit hier, scheint es sich auch schnell einmal erschöpft zu haben, hier eine längerfristige Perspektive entwickeln zu können. Wie kann das sein, wenn wir doch so UNESCO sind – oder weil wir eben so UNESCO sind?
Mittwoch 02. März 2016, 19.30 Uhr @ servus Clubraum
»Behind the Smart World« – die Publikation.
Books, Drinks & Snacks!
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Open Call
Einreichung unter:
http://www.radical-openness.org/open-call
Deadline: 2. April 2016
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AMRO - Art Meets Radical Openness 2016, Linz
Festival dedicated to Art, Hacktivism and Open Culture
Waste(d)!
25. -29. Mai 2016 !!br0ken!!!!br0ken!!!!br0ken!!
AMRO ist ein biennales Community-Festival in Linz, das neue Herausforderungen zwischen digitaler Kultur, Kunst, Alltag, Bildung, Politik und aktivem Handeln auslotet und diskutiert.
Die aktuelle Ausgabe »Waste(d)! widmet sich Aspekten der als zunehmend komplex wahrgenommenen Bedingungen unserer digitalen Infosphäre. Längst haben wir die Kontrolle darüber verloren, welche Informationen wir bewusst und unbewusst produzieren. Der Akt des Sicherns, Löschens oder Wiederbelebens von Daten und Information hat sich verselbständigt, ist überwacht, monetarisiert und verbraucht wertvolle natürliche Ressourcen.
Welche kulturelle, soziale, philosophische, ökologische und ökonomische Bedeutung hat das Produzieren, Sichern, Löschen und Wiederbeleben
von Daten?
Der Open Call richtet sich an Künstler_innen, Hacktivist_innen, Kulturschaffende, Journalist_innen, F/LOSS Entwickler_innen und Weltverbesser_innen u.a., die einen Beitrag (Ausstellung, Workshop, Lecture, Performance) zu diesen Fragestellung leisten wollen.
Ausstellung
Das diesjährige Festival eröffnet mit einer Ausstellung am 25. Mai 2016. Sie sammelt künstlerische Positionen zur kulturellen Praxis des Sicherns, Löschens und Wiederbelebens von Daten. Neben einem klassischen Ausstellungsbeitrag können auch Workshops und Performances eingereicht werden, die sich mit der Thematik beschäftigen oder ergänzende Aspekte einbringen.
Workshops & Clinic Sessions
Welche Experimente, alternativen Werkzeuge und Infrastrukturen vermitteln uns einen Ausblick auf sinnstiftende Alternativen und gibt es sie überhaupt? Wohin führen uns unsere digitalen Spuren? Wie befreien wir uns von neuen Zwängen?
Lectures
Produzieren, sichern, löschen und wiederbeleben von Daten ist integraler Bestandteil unseres Alltags. Oft ist uns die Tragweite unseres Verhaltens nicht bewusst und wir sehen uns diesen Prozessen machtlos ausgeliefert. Haben wir wirklich jede Kontrolle über unsere digitalen Spuren verloren? Was sind die materiellen Auswirkungen der Technologien, die wir so selbstverständlich verwenden?
Performances, Nightline
Wie klingt unser quantifiziertes Selbst, akustische Datenmüllverarbeitung oder ein »fertiger« Planet? Elektronischer Müll – ein wertvolles Kulturgut? Genauso willkommen sind weniger ernsthafte Beiträge auf der Basis von freier/Open Source Software oder selbstgebastelter Open Hardware.
AMRO (Art Meets Radical Openness) ist geprägt vom Geist der Freien-Software-Bewegung. Dieses Verständnis bildet eine wesentliche Grundlage bei der Auswahl von Beiträgen, die Software und Hardware verwenden.