Funkfeuer Linz goes Binga

Vom 3. bis zum 22. April brach ein Team von vier Funkfeuer[1] Aktivist_innen zur insgesamt vierten Reise in den Distrikt Binga, Zimbabwe auf. Bevor Peter Wagenhuber jedoch genauer auf das Projekt und die vergangene Reise eingeht, erklärt der servus.at-Mitarbeiter noch kurz für all jene, die die Projekte nicht kennen, was Funkfeuer ist und stellt das »Tonga.Online«-Projekt vor.

Das »Funkfeuer Linz«-Projekt errichtet ein freies, unkommerzielles und vor allem ein selbstorganisiertes und partizipatives Netzwerk. Mittels günstig erhältlicher Wireless LAN Hardware und Freier Software, die die Hardware erst zu den Funkfeuer-Knoten macht, entsteht ein autonomes Netzwerk über den Dächern von Linz.

Im Herbst 2009 trat nun die ARGE Zimbabwe[2] mit der Bitte um technische Hilfe für das Tonga.Online[3] Projekt an die Funkfeuer Initiative Linz heran. Dieses Projekt, dessen Ziel es ist, den Tonga, einem Volk an den Ufern des Zambezi, eine Stimme im Internet zu geben und dafür auch vor Ort die notwendige Infrastruktur zu schaffen, betreibt neben der Website mulonga.net auch 12 IT-Zentren, hauptsächlich in Schulen im Distrikt Binga in Zimbabwe.

Um das Tonga.Online-Projekt weiter voranzutreiben, sollte nun im Distrikt Binga ein »Funkfeuer Netzwerk« aufgebaut werden um den Zugang zum Internet und damit zu Information und direkter Selbstrepräsentation zu ermöglichen. Allerdings stellten und stellen nach wie vor die Zimbabwischen Gesetze eine unüberwindbare Hürde dar. Wireless LAN ist in Zimbabwe nur bis 100 m Reichweite und indoor erlaubt. Eine bereits 2009 beantragte Genehmigung durch die Telekommunikationsbehörde POTRAZ steht weiter aus.

Somit wurde die Herstellung der WLAN Verbindungen im Rahmen dieses Projekts auf unbestimmte Zeit verschoben und der Schwerpunkt der Zusammenarbeit zwischen der ARGE Zimbabwe, Funkfeuer Linz und der lokalen Partner_innenorganistation Basilwizi Trust[4] zugunsten von ebenfalls dringend benötigten Computerschulungen verschoben. Das primäre Ziel ist ja nicht einfach irgendeine Infrastruktur aufzubauen, sondern die Menschen vor Ort in die Lage zu versetzen, selber diese Infrastruktur zu betreiben und auszubauen und für den Aufbau von Computernetzen das notwendige Know-how zu vermitteln.

Media Clubs

Die am besten als Wissensmultiplikator_innen geeignete Zielgruppe schienen die IT-Lehrer_innen der Schulen zu sein, in denen schon IT-Zentren eingerichtet sind. Leider erwies sich dies als falsche Annahme. Da Lehrer_innen in den ländlichen Gebieten von Zimbabwe oft keine voll ausgebildeten Lehrer_innen sind, sondern lediglich sogenannte Hilfslehrer_innen (Menschen mit Highschool-Abschluss) und dieser Job einerseits nicht besonders gut bezahlt, andererseits einer der wenigen ist, die es überhaupt gibt (im Zimbabwe liegt die Arbeitslosigkeit bei 92% – laut Aussage des Geschäftsführers unserer Partner_innenorganisation Basilwizi Trust), gibt es eine ziemlich große Fluktuation im Lehrpersonal. Damit verschwindet aber auch leider in vielen Fällen wieder das von uns vermittelte Wissen.

Nachdem wir weder das Problem der Arbeitslosigkeit noch das der Lehrpersonalfluktuation im Rahmen unsres Projektes lösen können, mussten wir uns nach einer anderen Hauptzielgruppe für unsre Wissensvermittlung umsehen. Bereits bei einer unserer ersten Reisen regten wir die Gründung von Computerclubs oder ähnlichen Strukturen an, die im Umfeld der IT-Zentren tätig werden können. Basilwizi Trust nahm diese Anregung auf, fasste aber das »Clubbetätigunsfeld« weiter und unterstützte die Gründung von »Media Clubs« rund um die IT-Zentren in den Schulen im Distrikt Binga und der »Binga Library«.

Die Mitglieder dieser »Media Clubs« waren nun auch die primären Adressaten der Workshops der vergangenen Reise. Die »Media Club«- Mitglieder sollen durch den Erwerb von Medien und Vermittlungskompetenzen in die Lage versetzt werden, die Kultur der Tonga und die Anliegen der Communities im ländlichen Raum in Form von Publikationen, in Print und im Netz, bzw. auch durch Gestaltung und Verbreitung von Audio- und Videoinhalten zu transportieren.

Workshops in Binga

Diese bereits vierte Reise eines Funkfeuer-Teams war für mich die erste und somit auch mit vielen neuen und bisher unbekannten Erfahrungen gespickt. Vieles davon gibt es in Form eines Weblogs auf http://mulonga.linz.funkfeuer.at nachzulesen. An dieser Stelle möchte ich aber eine Nachbetrachtung dieser Reise aus einer gewissen zeitlichen Distanz versuchen.

Unser erster Arbeitsauftrag in Binga war es, den Public Access Point, einen Computerraum in der öffentlichen Bibliothek von Binga, der von allen Interessierten (nicht nur Schüler_innen wie in vielen anderen IT-Zentren, die in Schulen verortet sind) während der Öffnungszeiten genutzt werden kann, wieder in voll funktionstüchtigen Zustand zu versetzen. Eigentlich keine allzu große Herausforderung für vier Computerexpert_innen, sollte mensch meinen. Es gibt jedoch ein paar Faktoren, die dies erschweren. Zum einen gibt es natürlich keinen Hardwarehändler ums Eck und Ersatzteile sind daher sehr schwer zu bekommen, aber das war auch keine große Überraschung. Zum anderen wird die Hardware in diesen Breiten durch Staub, Hitze und regelmäßige Stromausfälle wesentlich mehr belastet als das in Österreich der Fall wäre. Und außerdem wird leider nur Hardware gespendet, die in Österreich entsorgt worden wäre.

Diese Spenden sind zwar sicherlich gut gemeint, erweisen sich aber immer mehr als Danaergeschenk, da viele der Computer nicht aus Standardkomponenten (z.B. Netzteile, Motherboards) aufgebaut sind und die Rechner schon einige Jahre auf dem Buckel haben, bevor sie in Binga zum Einsatz kommen können. Das führt dazu, dass sie dort maximal noch zwei Jahre einsatzfähig sind und dann Elektroschrott werden. Das ist insbesondere problematisch, als es keine Entsorgungsinfrastruktur gibt und auch das Zeug einfach zu verbrennen oder zu vergraben keine optimalen Lösungen sind, mit dem Elektroschrott zu verfahren. Somit wird uns die Herausforderung, den Elektroschrott halbwegs passend zu entsorgen (so ganz 100%ig sauber ist ja ohnehin sehr schwierig[5]) als zusätzliches Problem zu den Bestehenden begleiten.

Da es immer wieder (aufgrund bereits beschriebener Umstände) zu hardwarebedingten Ausfällen der Computer kommt, war der Hardware-Workshop sehr gut besucht und die Workshopteilnehmer_innen waren sehr engagiert bei der Sache. Im Allgemeinen ist der Wissensdurst in dieser sehr abgelegenen Gegend von Zimbabwe groß, was vielleicht auch daran liegt, dass es eines weiten Weges in die nächstgrößere Stadt und damit auch einiges an finanziellen Ressourcen bedarf, um eine tiefer gehende oder gar akademische Ausbildung zu bekommen.

Ein zweitägiger Workshop war auf die Bedürfnisse der Media Clubs zugeschnitten. Es ging dabei um Desktop-Publishing mit freier Software, im Konkreten Scribus[6]. Dabei wurde vermittelt wie »professionell« aussehende Zeitungen, bzw. Newsletter layoutiert werden können. Wobei wir bei dem Workshop selbst und in der Ankündigung das Wort Newspaper vermeiden und stattdessen immer Newsletter verwenden sollten. Newsletter sind ja eher an eine abgrenzbare Community gerichtet, wohingegen Newspaper an die Allgemeinheit adressiert sind und nicht so ohne weiteres erlaubt werden. Presse und Meinungsfreiheit gibt es nur für politisch auch genehme Presse und Meinungen. Es gibt auch schon seit längerem Bemühungen freie Radios (Community Radios) zu etablieren, die bisher allesamt scheiterten. Die politische Lage in Zimbabwe ist nach wie vor angespannt, aber im Moment ruhig.

Was mich persönlich am allermeisten befremdete und als antireligiösen Menschen auch wirklich störte, war der extrem starke Einfluss evangelikaler Sekten und die starke Verankerung von Religion im alltäglichen Leben. So wurde zu Beginn von Sitzungen mit unserer Partner_innenorganisation oder zu Beginn und zum Abschluss von den Workshops gebetet! Viele befinden sich in den Fängen beinahe krimineller Heilsversprecher. Die ohnehin durchwegs arme Bevölkerung wird um Geld erleichtert, um den Pfaffen weitere »Ausbildungen« zu ermöglichen oder einfach das Leben zu verschönern. Und ganz nebenbei sorgen die diversen Kirchen auch dafür, dass einiges an ursprünglicher Kultur verloren geht, was sicher auch nicht ganz unbeabsichtigt war im Zuge der Christianisierung des afrikanischen Kontinents. Außerdem ist Religion im Allgemeinen und sind Kirchen im Speziellen eine besonders gemeine Form der Unterdrückung und verhindern aktiv eine Befreiung des Menschen.

Während dieses Aufenthalts konzentrierten wir uns auf die Vermittlung allgemeiner IT-Kenntnisse und Kompetenzen im Bereich von Offline Publishing. Als nächste Schritte sind nun Ausbildungen im Bereich des Online Publishings sowie Workshops zum Aufbau und Betrieb von Computernetzwerken geplant. Außerdem müssen wir, wie schon erwähnt, einen Weg zur Entsorgung ausgedienter Hardware und Mittel zur Beschaffung neuer Computer finden. Es warten also noch einige Herausforderungen auf uns und unsere Partner_innen in Zimbabwe.

Nachdem von offizieller österreichischer Seite die Unterstützung der Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen und im Speziellen für das südliche Afrika massiv gekürzt wurde, ist der Fortbestand unseres Projekts hauptsächlich von Spenden abhängig. Falls Sie das Projekt unterstützenswert finden, können Sie an folgendes Konto spenden:

TODO - Verein zur Bekämpfung der Digitalen Spaltung
Oberbank
Kontonummer: 611137159
BLZ: 15000

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