Motor und Schattenlabor

Der plötzliche Tod Peter Donkes.

So um 1980 fahren Peter Donke am Steuer seines alten VW-Käfers und Kurt Holzinger als passionierter Beifahrer in gemeinsamen Bandangelegen-heiten auf nächtlichen Straßen. Kurt Holzinger, der mir diese Geschichte erzählt hat, berichtet, er sei dem Donke während der Fahrt mit einem seiner zahlreich aufgenommenen Mix-Tapes anscheinend schon so lästig gewesen, dass der Donke ihm auf die Frage, warum er denn das neue Tape partout nicht hören wolle, gesagt habe, dass er statt der Musik lieber den Motor höre. »Ich höre lieber den Motor« hat Kurt Holzinger, der damals Musik quasi eingeatmet hat, so verblüfft, dass er sich die Begebenheit bis heute gemerkt hat – und sie lässt ihn heute noch amüsiert auflachen. Musik und die Band, die eh alle kennen, sollen hier aber nicht Thema sein. Über deren Bedeutung und Protagonisten sollen andere schreiben, was sie ja in allseitig sich verneigender Weise auch tun. Was aber der Punkt der kleinen Geschichte ist, so Kurt Holzinger: »Der Donke hat damals nicht nur lieber den Motor gehört, er WAR auch der Motor. Er war Motor der Band und auch später Motor vieler anderer Dinge.«

Zum Beispiel der Stadtwerkstatt. Natürlich ist bekannt, dass die Stadtwerkstatt früh von Peter Donke mitgestaltet wurde, konkret seit Beginn der 90er Jahre, etwa mit der erfolgreichen »Do-it-yourself«-Schiene für lokale Acts. Wobei die Stadtwerkstatt, mittlerweile selbst Motor gewordener Betrieb, über die vielen Jahre ein Wirkungskonglomerat vieler Protagonisten und Protagonistinnen war und ist. Aber auch dies ist eine andere Geschichte. Was aber wenige Leute zu wissen scheinen, ist, dass sich Peter Donke gerade in den letzten Jahren als Controller im »Backoffice« der Stadtwerkstatt wieder wesentlich eingebracht hat – in einer wohl unvergleichlichen Mischung aus Finanzexpertise, Widerstand, Support und einem Wissen, welches Kreativität, bzw. Antrieb zur Kreativität gerade wegen der eigenen kreativen, sich immer wieder transformierenden Tätigkeiten zu erkennen fähig war: in Menschen, in Projekten, aber zum Beispiel auch in einem Motor oder in einer buchhalterischen Zahlenkolonne. Wir alle, die Kunst machen, oder an Autonomie existenziell interessiert sind, wissen, dass sich Kreativität nur in – wenigstens relativer – Freiheit entfalten kann und relevante Kunst nur in Rückkopplung zur realen Welt passieren kann. Diese Rückkopplung zur realen Welt ist selbstredend enorm wichtig für einen Betrieb wie die Stadtwerkstatt. Ich bin aber überzeugt, dass die Kenntnis einer real existierenden Grundlage sogar auf eine Kunst zutrifft, die nur für sich selbst bestehen will. Oder auf Menschen schlechthin, die auch nur zuerst für sich selbst bestehen wollen (wofür sonst?) – um in einer offenen Gesellschaft leben zu können.

Dieses offene Selbstverständnis in Zusammenwirken mit Kunst und gesellschaftgestaltendem Realitätssinn ist in der Stadtwerkstatt fest verankert. Eine neuere Spielart dieser Ausrichtung ist hier etwa das »Schattenlabor«, ein Labor, das im Zwielicht von Ideenwelt und Realität existiert. Dieses Labor hat Franz Xaver für die Stadtwerkstatt entworfen, um für die inhaltliche Ausrichtung »die Quellen der Kreativität« zu sichern. In einer Art dunkler inhaltlich-künstlerischer Autonomie ist das Schattenlabor in einer Art Untergrund an sich verortet. Es bildet eine Backup-Folie für die Sicherung von Kunst und Autonomie in Zeiten, in der die rationale Welt in einer beängstigenden Mischung von Belanglosigkeit und Barbarei zu versinken droht. Franz Xaver, der für die Stadtwerkstatt in den letzten beiden Jahren mit Peter Donke übers Kaufmännische hinaus eng zusammengearbeitet hat, hat nun in einem Gespräch, was der Verlust Donkes für die Stadtwerkstatt bedeutet, in treffenden Worten zusammengefasst: »Der Donke WAR das Schattenlabor«, in dieser höchst seltenen Expertisenmelange aus Geld, Kunst und Autonomieverständnis, im Sinn eines rundum kompetenten Backups.

Motor und Schattenlabor – was kann dem noch hinzufügt werden? Im Wissen, dass sich Kunst und Autonomie hundertfach transformieren müssen, um Bestand zu haben, ist es unverzichtbar, dass Menschen agieren, die ihr Schaffen und Wissen selbst mehrfach verwandelt haben und auf mehrere Ebenen umzulegen imstande sind. Motor und Schattenlabor also: Unspektakulär wie kompromisslos, großzügig, großartig und unersetzlich war Peter Donke das für die Stadtwerkstatt. Danke.

Tanja Brandmayr im Namen der Stadtwerkstatt

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(Foto: Holzinger)

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