Freigeist! nicht vogelfrei…
Ich habe der Literarischen Verwertungsgesellschaft, seit 2006 Literar Mechana, einiges zu verdanken. Umsomehr wurde ich von einem abschlägigen Bescheid im Mai dieses Jahres überrascht. Ich habe mich über die Konditionen einer Pensionsversorgung, die mir nach all meinen erbrachten Leistungen im östereichischen Literaturbetrieb sowie in eigener Autorschaft an sich zusteht, informieren wollen. Es kam anders. Man behandelte meine Anfrage als Antrag, der von der Jury offensichtlich ohne Kenntnis der nötigen Fakten abgeschmettert worden ist. Nur ein Autor von acht Anwesenden hat sich für mich ausgesprochen. Die zwei Vertreter des BM Unterricht & Kunst und des BM Justiz (!) verhielten sich neutral.
Aus der naheliegenden Erkenntnis, dass das Neue Medium Internet und WorldWideWeb das Medium der Gegenwart ist und jenes der Zukunft sein wird, habe ich mich konsequent auf Webpublishing konzentriert. Viele Hypertexte > Mixed Media Integrationen meinerseits sind nur im Internet zu finden. Internet User zahlen für den Content leider keinen Cent. Sie geben ihre Mittel für Hardware, Software und den Provider aus. Das ist das Dilemma jedes Contentgestalters und Anbieters.
Das Webmedium ist zum beherrschenden Medium der Gegenwart gediehen, auch mit Hilfe der Leistungen der Anbieter von Inhalten, von Content. Printverleger sehen meist das Netz als lästige Konkurrenz und versuchen, es auf ihre Art und Weise madig zu machen.
Um 2000 herum hat eine bemühte Runde eine Reihe von Fragen des Internet Publishing im Wiener Goethehof gegenüber der Oper debattiert. Unter anderem wurde die Gründung einer neumedial bezogenen staatlichen Verwertungsagentur zur Diskussion gestellt. Es war ein Fehler, diese Debatte nicht voranzutreiben. Letztendlich ist das ernstzunehmende Vorhaben dem temporären Flop der New Economy zum Opfer gefallen.
Die Jury der Literar Mechana hat keinerlei Neue Medien-Kompentenz gezeigt, verharrt in überholten Vorstellungen von Literatur. Ein wesentlicher Fortschritt österreichischer Kunst- und Literaturauffassung hat sich im Gründungskonzept der Grazer Autorenversammlung vor 40 Jahren niedergeschlagen. Man hat einen erweiterten und interdisziplinären Literatur- und Medienkunstbegriff ausgerufen, während die Literar Mech-ana offensichtlich noch immer überholten belletristischen Vorstellungen nachhängt, die sich in der Geruhsamkeit des PENS gefallen.
Die österreichische Literaturlandschaft ist zu einer konservativen Geisterlandschaft gefroren. Die Literar Mechana beugt sich den Vorstellungen der Gesellschaft für österreichische Literatur, deren Leiterin ausgemacht technologiefeindlich ist. Ich werde mir meine Rechte nicht nehmen lassen. Ich werde mir soziale Anrechte und Ansprüche, die legitim sind, so durch mangelnden Verstand und Inkompetenz nicht verhindern lassen.
Ein Vorfall anlässlich der Buchwoche 2009 im Wiener Messepalast hätte mich warnen können. Gerald Schantin, Präsident des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels, Geschäftsführer von MORAWA, weist auf der Buch Wien 09 auf die Urheberrechtskontroverse mit Google hin.
Zwei Tage später frage ich ihn, ob ihm die Geschäftsbeziehungen zwischen Randomhouse USA, zugehörig zur Bertelsmann AG, und Google bekannt sind.
Schantin fällt aus allen Wolken. Er weiß von nichts oder will nicht zeigen, dass er weiß. Er ist befreundet mit Pfuhl, dem Vorsitzendenden der Geschäftsleitung der Verlagsgruppe Random House, und hat den bis dato für einen der wichtigsten Mitstreiter in der Google Frage gehalten.
Man muss die Frage stellen, welche Nebenabsprachen, welche verborgenen Klauseln wurden zwischen Random Bertelsmann und Google in den USA bereits getroffen, die später global umgesetzt werden. Ich bin mir gewiss, dass die Random Google Konstellation kartellrechtlichen Prüfungen nicht standhalten wird.
Darauf ließ mich Franz Leo Popp von der Literar Mechana per E-Mail am 15. November 2009 in einer gewohnt kryptischen Formulierung wissen: Das ejournal hat hier – durch die Vermischung längst bekannter Geschäftsverbindungen mit dem Book Settlement, durch die daraus konstruierte scheinbare »Täuschung« eines führenden Buchhandels-funktionärs, – »Patzer und Pannen« zu verantworten. Der Popp gibt also zu, dass alles schon längst bekannt ist und bestätigt so meine Einschätzung und Wahrnehmung und versucht mir das Ding trotzdem anzudrehen. Das ist vermessen und ausgekochte Demagogie.
Wie stellt sich denn das der Popp vor? Unmündige Autoren und Autorinnen, die am Staatssäckel angebunden gehalten werden, wie die schwarzen Schafe unter weißen Lämmern? Wehe, wenn sie blöken. Es gibt in diesem Land nicht nur die allgemeine Freiheit der Meinungs-äußerung, sondern auch die verfassungsmäßig verankerte Freiheit der Kunst, Wissenschaft und Forschung gleichgestellt. Sollte die für Literatur etwa nicht gelten?
Offensichtlich nimmt Franz Leo Popp die Interessen von Verlagen und Buchhändlern, die ohne öffentliche Förderung und Buchpreisbindung schon längst zusperren müssten, eher wahr als die der produzierenden Autoren und Autorinnen. Das ausjurierte Resümee einer jahrzehntelang andauernden Beziehung zum österreichischen Literaturbetrieb macht betroffen. Ich habe nicht nur einem Autor geholfen. In den 80er Jahren war ich selbst in die Kommission des Sozialfonds berufen und habe da anstelle eines von Ernst Jandl gefordertem Schriftstellergehalts ein Pensionsanrecht anregen können. Gedankt hat man mir meine Initiative nicht, wie man sieht.
Eines muss die Literar Mechana lernen. Das Internet bedarf exzellenter Suchmaschinen, selbst wenn die manchmal die Schranken überschreiten. Sie können zur Ordnung gerufen werden. Das Internet kann nicht mehr abgeschafft werden.
Die von der Literar Mechana einberufene Jury erweist sich als Computer Illiterated. Die haben eine Menge Nachholbedarf. Ich habe nichts nachzuholen, ich arbeite und produziere und gestalte mit dem Netz und für das Netz. Das seit 17 Jahren.
Warum kommt die Jury dazu, meine Arbeit zu disqualifizieren? Bloß, weil ich die richtigen Fragen stelle und die richtigen Antworten gebe? Ich beschäftige mich mit dem Einfluss der Technik auf die Kultur, mit den zeitgemäßen Alltagskulturen, in denen die Belletristik bloß noch der Käuflichkeit dient, verfasse Essays und arbeite an der Entwicklung von Hypertexten, die Aufmerksamkeit erregen und anerkannt sind.
Ich bin anerkannter Schriftsteller und Medienautor und bastle keineswegs an literarischer Sortenreinheit. Wahre Literatur ist weder eine Apfel-, noch Birnensorte und lässt sich mit Kirschen nicht gleichsetzen, und schon gar nicht mit Marzipan und Zuckerguss.
Das Electronic Journal Literatur ist ein global anerkannter publizistischer Erfolg. Will die von der Literar Mechana eingesetzte Jury das ignorieren, mit Scheuklappen versehen daran vorbeischauen?
Diese Groteske aus dem Fundus des Theaters des Verhinderns, die die Jury des Sozialfonds der Literar Mechana aufgeführt hat, werte ich sowohl als persönlichen wie strukturellen Affront.
Weiters ist festzuhalten: Im Rahmen des zweiten österreichischen Juristentages in Wien 1964 wurde das Förderungswesen unter dem Blickwinkel des Legalitätsprinzips unter anderen in einem Referat von Sektionschef Dr. Edwin Löbenstein unter besonderer Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips behandelt. Löbenstein stellt dezidiert klar, dass Subventionen nie bloß Unterstützungen sind, sondern von der Erfüllung bestimmter Aufgaben durch den Empfänger abhängig gemacht werden. Der Staat hat öffentliche Aufgaben mit Mitteln des öffentlichen und zivilen Rechts zu verwirklichen. Und zwar nach der Maßgabe, dass die kommerziell orientierte Wirtschaft bestimmten Aufgaben verständnislos gegenüber steht und diese auch nicht wahrnimmt. Sozusagen einen offensichtlichen Mangel stehen lässt.
Der Staat ist befugt und verpflichtet, eine Gegenleistung zu verlangen. Ich habe meine Leistungen immer erbracht.
Der kulturelle Sektor muss die soziale Versorgung der Produzenten gewährleisten und zum Beispiel die Altersversorgung für freischaffende, nichtbeamtete Künstler leisten können, die ihr Leben lang für kleinere und größere Fortschritte im kulturellen Leben gesorgt haben. Die Geldmittel, die freischaffende KünstlerInnen in ihrer Lebenszeit erwerben, die oft als Produktionsmittel eingesetzt werden müssen, reichen für die Mehrheit der Betroffenen nicht aus, eine private Altersvorsorge eingehen zu können. Mit dieser Crux muss nach wie vor jeder Künstler und jede Künstlerin, jene, die einen freien Beruf gewählt haben, rechnen.
Eines ist gewiss, der überhitzte und in sich marode Printmarkt darf nicht mittels Gelder saniert werden, die einem anderen, dem Neuen Medium, zugute zu kommen haben.
Das Electronic Journal Literatur Primär, mit meinen Arbeiten und denen meiner KollegInnen, wird seit drei Jahren vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach bei Stuttgart gesammelt.