»Wir entwickeln Literatur«

Interview mit Billy Kahora, Schriftsteller, Direktor von Kwani? Trust

Über Kwani?

Kwani? hat auf informeller Ebene 2001 begonnen. SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, AktivistInnen, kreative Menschen, Menschen, die an Gesellschaft und Politik interessiert sind, haben sich getroffen. Sie waren über die Zustände in unserer Gesellschaft aufgrund der Diktatur schockiert. Sie wollten einen Ort, an dem wieder geschrieben werden konnte. Sie kannten die Literatur, die in der Vergangenheit hier geschrieben wurde, zum Beispiel Ngugu wa Thiong’o, sie kannten das universitäre Leben der 60er und 70er Jahre. Einige kamen aus dem Ausland zurück und wollten wieder Orte zum Schreiben in unserer Gesellschaft.

Die historische Situation im Jahre 2003 war interessant. Es herrschte das Gefühl einer Befreiung, viel Euphorie. Ihre Arbeit war Teil davon, auch die Geldgeber haben es gemerkt und angeboten, diese Arbeit zu unterstützen. So ist Kwani? entstanden, aus einer Notwendigkeit heraus. Kwani? ist ein Ort der Mittelklasse, aber rundherum gab es auch die anderen Plätze mit einer ganz anderen Sprache, Sheng, eine hybride städtische Sprache.

Kwani? ist vieles in einem. Zuerst einmal denken die Leute an die Zeitschrift, aber auch an ein Netzwerk von SchriftstellerInnen, KünstlerInnen und FotografInnen. Es ist auch eine NGO, als formale Struktur ein Trust. Wir mussten die passende Form finden, um Geld bekommen zu können. Wir sind also eine Art von Entwicklungs-NGO, die Literatur entwickelt. Wir sind aber auch eine Institution, die kuratiert. Wir sind das alles und noch viel mehr.

Die LeserInnen von Kwani?

Unsere Leserschaft kommt von den Universitäten – StudentInnen oder AbsolventInnen, aber auch von anderen Schichten. Du kannst Kwani? auch in den Slums treffen, bei Menschen, die an ihrer Gesellschaft, ihren Erzählungen und Geschichten interessiert sind bis hin zu den ganz Reichen. Es gibt eine Generation aus der Mittelklasse mit bestimmten Werten,  Einkommen und Geschichte, mit Akademikereltern. Sie sind heute zwischen 35 und 45 Jahre alt. Wir haben eine große Leserschaft. Und dazwischen ist die neue Generation aus den 90er Jahren, die sind die dritte Generation in Kenia. Menschen, die am Zeitgenössischen interessiert sind, an ihren eigenen Geschichten, ihrem eigenen Leben.

Die Mainstream Medien hängen alten Ideen nach – Erziehung, Ausmerzung von Armut, Unwissenheit und Krankheit. Sie stecken in diesen Themen oder sind nur daran interessiert, KonsumentInnen zu erreichen, Produkte und Unterhaltung zu verkaufen. Aber es gibt viele Menschen, die anderes wollen. Die andere Ebene ist die Umweltschiene. Die UNO und viele NGOs reden über Statistik, aber in unserer Gesellschaft sind viele daran interessiert, direkt angesprochen zu werden, als Individuen, als Persönlichkeiten.

Langsam entstehen Alternativen in den Medien und in Kunst und Kultur, auch in manchen Zeitschriften. Filmemacher entwickeln eine bestimmte Sensibilität, manche davon schaffen es sogar ins Mainstream-Fernsehen. Wir denken und fühlen ähnlich. Diese Freiräume tauchen langsam auf.

Von allen Sachen, die ich über Kwani? erzählt habe, finde ich am interessantesten, die neue Entwicklung zu verfolgen, da wir keine zeitgenössischen Erzählstrukturen haben, da diese Erzählstrukturen unterbrochen wurden.  Was sind also die Sprachen und die Sprachebenen, was die stilistischen Ebenen und die Stimmen und welche literarischen Strukturen entwickeln sich, damit die Texte wahrhaftig etwas über die Stadt oder über einen anderen Teil Kenias aussagen. Das ist wirklich die interessanteste Sache.

Das Interview ist ein Ausschnitt des im April erscheinenden Buches:

Meeting Nairobi
Eine Reise, aufgezeichnet und fotografiert von Margit Niederhuber, Heike Schiller
und Stephan Bruckmeier

Infos unter www.mandelbaum.at

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