Kunst und Technologie, einst und jetzt

Franz Xaver über servus-Operette, Stadtwerkstatt-TV und die neuen Medien.

Ob es die kürzlich aufgeführte Operette des Vereins servus.at zur »Geschichte des Internets« ist oder ob es die Projekte der Stadtwerkstatt sind, die vor 20 Jahren aufgeführt wurden – sie alle haben das gleiche Thema: die neuen Medien. Die Stadtwerkstatt hatte dazu schon immer ihre eigene Position und kann darauf auch stolz sein. Damals wurden alle Medien unter Einbeziehung des Publikums genutzt um interdisziplinäre Inszenierungen in andere Medien zu transformieren. Meist waren es analoge Arbeitsmaterialien und Geräte. Die digitalen Technologien wurden meist nur als zusätzliche Zuspielquelle (Grafik und Animation) genutzt. In einigen seltenen Fällen wurde der Computer auch für eine interaktive Sensorik verwendet.
Vor Kurzem erinnerte uns die Operette von servus.at an diese vergangenen Veranstaltungen der Stadtwerkstatt, die sich damals unter dem Label Stadtwerkstatt-TV etablierten. Und wenn servus.at ihre Inszenierung als Operette bezeichnet, könnte man die frühen Arbeiten der Stadtwerkstatt durchaus dem Genre der Oper zurechnen. Viele Leute vermissen noch immer diese Großinszenierungen der Stadtwerkstatt und sehen in Folge sogar eine Orientierungslosigkeit.
Wenn man diese Events von servus.at und Stadtwerkstatt-TV nun gegenüberstellt, fallen mehrere Gemeinsamkeiten auf. Diese Art der Inszenierung finden wir verstärkt in der Stadt Linz, und folglich müssen sie mit dieser Stadt zu tun haben. Bei den Inszenierungen geht es unter anderem auch um die Aktivierung möglichst vieler Mitwirkenden und um einen Gruppenbildungsprozess. Diese Inszenierungen profilieren in Folge meist eine Gemeinschaft, zu der man als »moderne«, »kritische« Person gehören sollte. In Linz taucht dieser gemeinschaftliche Wille immer wieder auf und ist vielleicht ein Überbleibsel der Arbeiterstadt. Solidarität, Freundschaft und Handschlagqualität sind durchaus Errungenschaften und Grundfesten einer Arbeiterschaft und mit diesen Inszenierungen finden wir diese auch in der Kunst- und Kulturszene. Solche Konstrukte wären aber in anderen urbanen Räumen nicht vorstellbar.
Und wenn man nun diese Events mit konventionellen Theater- oder Filmproduktionen vergleicht, fällt auf, dass sie sich durch das Arbeitsverhältnis und die Honorierung der künstlerischen Darbietungen unterscheiden. Dies ist aber für ein nachhaltiges Arbeiten unabdingbar. Ohne geregeltes Verhältnis bleibt leider alles nur ein Spiel – eben eine Operette. Der Stadtwerkstatt zeigte sich nach diesen Inszenierungen vor 20 Jahren nun ein anderer Weg – ein nachhaltiges Arbeiten. Die Stadtwerkstatt definiert sich über Kontinuität und nach wie vor kritische Positionierung zu den Informationsmedien. Gerade bei unseren aktuellen Themen wie Natur und Kunst, Information und Evolution kann dies nur über einen Zeitraum von mehreren Jahren bearbeitet werden.
Die Auseinandersetzung mit den neuen Medien ist also der Stadtwerkstatt auch heute noch genauso wichtig wie in den 80igerJahren. Vor allem die informationsverarbeitenden Maschinen sind sehr viel komplexer und »digitaler« geworden und werden in unserem neuen Arbeitsfeld mit den poietischen Systemen der Natur verglichen. Aber man muss diese künstlichen Strukturen der Informationstechnologie sehr kritisch betrachten, um nicht in bedenkliche Bereiche des Datenrechts zu kommen. Die Inszenierung von servus.at hat dies auch aufgezeigt. Und der operettenhafte Charakter brachte den notwendigen Unterhaltungswert. Man konnte dies während der Aufführung am Schmunzeln des Publikums und der Akteure beobachten. Bei der historischen Darstellung des Netzes war mir persönlich alles viel zu viel auf das Internet fokussiert. So kam das Fido-net gar nicht vor, jenes Netz, das 1987 noch dreiviertel des globalen Informationsnetzes stellte und von Freaks über ein BBS (Bulletin Board System) betrieben wurde. Aber es waren genau diese Freaks, die ein globales Informationsnetz gründeten und nach einem Hund namens FIDO benannten. Es waren genau diese Freaks, die einige Jahre später das Internet mit Linux und ihrer Copyleftbewegung der Allgemeinheit zugänglich machten.
Zu kurz kam auch die Auseinander-setzung der Kunst und der Wissen-schaft, die den Bedarf und die Notwendigkeit eines globalen Informationsnetzes in den 80er Jahren das erste mal deponierten.
Es wäre aber an der Zeit jenen Bedarf genauer zu analysieren. Da wären nun Historiker gefragt, die noch in analogen Medien recherchieren können. Denn genau diese Zeit schaffte eine Sehnsucht und den Wunsch nach einem globalen Informationsnetz. Also vor dem »http://« Protokoll und dem ersten Internetbrowser »Mosaik« musste zuerst ein Bedarf geweckt werden. Wie auch in der Operette spielerisch angemerkt, brachte dieses Internet nicht nur einen leichteren Informationszugang für die User und Hyperwesen sondern auch mehr Möglichkeiten, Personen zu überwachen, ihr Marktverhalten zu analysieren und Bedürfnisse zu erzeugen. Aber wie schon erwähnt, fraglich ist nur, wo der Bedarf nach dieser mächtigen Maschinerie der Informationstechnologie herkam.
Und in diesem Zusammenhang ist es kaum zu glauben, dass dieses Instrument der Informationskontrolle vom Militär ohne Eigeninteresse einer zivilen Nutzung zugeführt wurde. Zu einer Zeit als das Militär den Transport der Informationen als Machtkonzentration erkannte. Um die Informationen beherrschen zu können, wurden sogar bewusstseinserweiternde Drogen entwickelt und getestet, am Butterfly-Effekt geforscht und, um den Technologievorsprung nicht zu verlieren, musste von jedem zivilen integrierten Schaltkreis eine bessere (temperaturbeständigere) Militärversion produziert werden. Aber um nun nicht in eine Verschwörungstheorie zu verfallen, muss man dieser Allmacht des Militärs auch eine Ohnmacht entgegenhalten. Mit dem Hintergrund der hohen Verteidigungsausgaben wurden die militärischen Interessen auch als Motor der Marktwirtschaft gesehen. So wurden in dieser Zeit Laserkanonen getestet, die im Starwars-Programm Territorien vor feindlichen Interkontinental-Raketen schützen sollten. Diese Geschichte würde eigentlich nach Hollywood passen, wurde jedoch ernsthaft der Öffentlichkeit präsentiert und finanziert. Es wurden Aufträge zum Bau von Hochenergielasersystemen gegeben, bei denen der Laserstrahl die Röhre, die er verließ, zugleich abbrannte.
Das Internet sollte immer als Medium gesehen werden, das alle diese Informationen transportiert. Geniale Planung, Zufall oder Schildbürgerstreich, eines steht fest: Das Internet ist kein leichter Tobak. Und deshalb meinen Respekt an alle Organisationen und Personen, die versuchen dieses Netz kritisch zu hinterfragen.

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